«Gott macht vor keinem Gesellschaftsbereich Halt»
idea Spektrum: Ist eine EVP nach der Ära Joel Blunier überhaupt denkbar?
Joel Blunier: Die EVP ist bald 100 Jahre alt. Die EVP gab es schon 84 Jahre vor meinem Amtsantritt und sie wird auch ohne mich überleben. Gott sei Dank dreht sich in der EVP nicht alles um ein paar prägende Persönlichkeiten. Alle Mitglieder ziehen am gleichen Strick.
Was waren wichtige Meilensteine deines Engagements?
Besonders hervorheben möchte ich die acht Jahre, in denen die EVP die Mehrheit der evangelisch-unabhängigen, beziehungsweise später der EVP/EDU-Fraktion, stellen konnte. In dieser Zeit war die nationale Präsenz der EVP beachtlich und die Zusammenarbeit der politisch unterschiedlichen Partner hervorragend. Weiter gehören die Verstärkung der Parteistrukturen durch die Expansion in die Westschweiz und in traditionell katholische Regionen, die Gründung der Jungpartei *jevp oder die Bildung des KMU-Netzwerks zu den Meilensteinen.
Gab es auch Tiefpunkte zu verkraften?
Aus meiner Sicht überwiegen die positiven Erfahrungen. Aus Parteisicht zählen der Verlust des dritten Nationalratsmandats im Aargau sowie der Rückgang des Stimmenanteils durch das Erstarken der neuen Mitte zu den ernüchternden Momenten.
Wie gehst du mit Rückschlägen um?
Dass zwischendurch etwas nicht wie geplant funktioniert, gehört zum Leben. Das Wissen darum, dass letztlich alles in der Hand meines starken Gottes liegt, verschafft mir Gelassenheit.
Zurück zur EVP. Wie hat sie sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren verändert?
Die Mitgliederbasis wurde um rund 600 Personen verstärkt, die Mitgliederbeiträge konnten um einen Drittel erhöht werden und sieben neue Kantonalparteien sind entstanden. Eine grosse Herausforderung stellt die Tendenz zur Unverbindlichkeit und Kurzatmigkeit dar. Dadurch wird die Besetzung von Parteiämtern oder öffentlichen Mandaten immer schwieriger. Während man früher der EVP bis ans Lebensende treu blieb, treten heute viele nach den geringsten Unstimmigkeiten wieder aus.
Als damaliger EDU-Zentralsekretär lernte ich dich als initiativen, integren Kollegen kennen. Welche Merkmale hast du sonst noch?
Danke für die Blumen! Ich denke, dass ich Fähigkeiten in den Bereichen Organisation, Marketing und Analyse mitbringe.
Sie werden dir am neuen Wirkungsort nützlich sein. Deine neue Funktion?
Ich übernehme die Geschäftsführung der PROSPERITA-Stiftung für die berufliche Versorge, einer Pensionskasse mit gut 350 angeschlossenen KMUs, Kirchen, Organisationen und Missionsgesellschaften.
Christ und Politik passen zusammen, oder?
Natürlich! Gott macht vor keinem Gesellschaftsbereich Halt. Und gerade Schweizer Christen sollten sich in unserer direkten Demokratie politisch engagieren. Wir können so mitbestimmen über die Rahmenbedingungen unseres Zusammenlebens. Auf der anderen Seite hat nicht jede Person eine Berufung für ein politisches Amt.
Wie könnten sich Einzelne, aber auch Kirchen und Gemeinden, vermehrt einbringen?
Ich bin überzeugt, dass die Kirchen heute wieder stärker ihre prophetische Stimme zu gesellschaftspolitischen Fragen verlauten lassen sollten, denn gerade von den Kirchen erwarten die Menschen Antworten. Aus Angst vor innerkirchlichen Diskussionen neutral zu bleiben oder sich auf das «Predigen des Seelenheils» zu beschränken, ist nicht gesellschaftsrelevant.
Nehmen wir an, du hast drei Wünsche frei: für die Gesellschaft, die EVP und für dich.
Der Gesellschaft wünsche ich Erkenntnis desjenigen, von dem alles kommt. Für die EVP wünsche ich mir Fraktionsstärke im Parlament, damit ihre lösungsorientierte Politik besser zur Geltung kommt. Mir wünsche ich ein klares Unterscheidungsvermögen, was richtig und was falsch ist.
Hast du ein Lebensmotto oder einen Leitvers?
Ja, zum Beispiel «Prüfet alles und behaltet das Gute!» (Die Bibel, 1. Thessalonicher Kapitel, 5, Vers 21).
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Datum: 07.04.2016
Autor: Thomas Feuz
Quelle: ideaSpektrum Schweiz