Scheidungsschmerz

Er entschied sich für eine andere Frau

Gescheiterte Ehen hinterlassen tiefe Wunden. Dies musste auch Herta Häfliger erfahren. Nach leidvollen Jahren und Glaubenskrisen hat sie aber neue Lebensfreude gefunden.
Herta Häfliger

Der Ehemann hatte sie wegen einer anderen Frau verlassen! Sie war am Boden zerstört.

Alles weggeworfen

Nach mehreren Umzügen liessen sich Herta Häfliger (heute 75) und ihr Ehemann in Malans (Kanton Graubünden) nieder. «Es war ein schönes Haus mit einem grossen Garten», blickt sie zurück. Ihr Mann blühte richtig auf und stürzte sich in Umbauarbeiten. Nach zwölf Monaten überraschte er sie mit der Nachricht: «Ich verlasse dich. Ich habe eine andere Frau kennen und lieben gelernt.»

Er wollte ihre Ehe, welche sich seit 30 Jahren bewährt hatte, einfach wegwerfen! Helga war geschockt. Erst nach einem Jahr konnte sie ihre Ehe als gescheitert benennen. Er würde seine Geliebte nicht verlassen und zu ihr zurückkehren. Sie reichte die Scheidung ein. Sie musste ihren Weg ohne ihn gehen – egal, ob ihr das passte oder nicht.

Von Scham und Schmerz geplagt

Für Herta folgte eine schwere Zeit. Der Schmerz, verlassen zu sein, sass tief und die Scham, eine Geschiedene zu sein, trieb sie in die Isolation. Drei Jahre lang zog sie sich zurück, ging kaum nach draussen und sass stundenlang vor dem Fernseher. Doch auch in ihren vier Wänden fühlte sie sich nicht zu Hause.

«Ich musste sehr untendurch», berichtet Herta, die eigentlich ein unternehmensfreudiger Bewegungsmensch ist. Doch dann wurde alles anders. Selbst ihre nächsten Nachbarn wussten nicht, weshalb sie sich als einsame Frau in ihre Wohnung zurückzog. «Heute kann ich den Leuten endlich wieder in die Augen blicken und von meiner Scheidung erzählen.»

Wo ist Gott?

«Gott steht für die Ehe!» So hatte es Herta oft gehört. Und sie hatte sich auch darüber gefreut – zumindest solange sie glücklich verheiratet war. Doch jetzt fragte sie sich, wo denn dieser Gott war, der ihre Ehe nicht bewahrt hatte.

Es gibt viele schöne Geschichten von kaputten Ehen, die durch Gottes Eingreifen wiederhergestellt worden sind. «Solche Geschichten konnte ich nicht mehr hören.» Es fiel ihr schwer zu akzeptieren, dass Gott anderen Ehepaaren half, wieder zusammenzukommen. «Irgendwie gab ich Gott die Schuld, dass ich in meinem Loch feststeckte.» Freunde sagten: «Hör auf, Gott Vorwürfe zu machen. Es ist nicht seine Schuld.» Das erzürnte sie noch mehr. Natürlich hatten sie recht – aber das änderte nichts daran, dass Herta Gottes scheinbare Passivität nicht verstehen konnte.

Es ist ungerecht!

Ein ständiger Schmerz begleitete Herta. «Mein Ex-Mann ist wieder verliebt, ihm geht es gut.» Und sie war die Verliererin. Dass er in den Armen einer anderen Frau sein Glück suchen musste, war sehr demütigend.

Was Herta kaum ertrug, waren die Analysen wohlmeinender Mitmenschen. Überlegungen, wie es überhaupt zu dem Ehe-Aus gekommen sein konnte und Bemerkungen, dass es für eine Ehekrise immer zwei Beteiligte braucht, waren alles andere als hilfreich. Es schien ihr einfach ungerecht, jetzt auch noch auf die Anklagebank gezogen und von irgendwelchen Menschen beurteilt zu werden.

Heilende Momente

Wie soll man Menschen nach einer Scheidung helfen? «Meist ist es wenig hilfreich, mit klugen Worten helfen zu wollen», hält Herta fest. Verlassene Menschen haben ihre wichtigste Bezugsperson verloren und brauchen jemanden, der für sie da ist. Sie brauchen ein Zuhause. Heute ist Herta dankbar, dass gerade in dieser Zeit Leute zu ihr hielten.

«Oft sass ich im Gottesdienst oder im Hauskreis und weinte nur noch.» Zu spüren, dass die Menschen um sie herum einfach bei ihr waren, tat gut. Eine Hand auf der Schulter konnte viel Trost vermitteln. Auch zu wissen, dass Menschen für sie beteten, gab ihr Halt. Herta wusste sich angenommen, ohne ihre Situation erklären zu müssen. Es waren diese Momente, die auf dem Weg der Heilung eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Gott trägt den Schmerz

Wenn Herta von Schmerz übermannt wurde, neigte sie zu Rebellion gegen Gott und Menschen. Sie zog sich zurück und badete in Selbstmitleid. Doch dann lernte sie zu beten: «Herr, ich gebe dir den Schmerz, hilf mir, dass ich heil werden kann.» Loslassen bedeutet nicht, den Schmerz zu verleugnen, sondern ihn Gott zu geben. «Wenn ich in meiner Opferrolle bade, hat letztlich nur der Widersacher seine Freude!»

Mit der Zeit lernte Herta, weiterzugehen. «Ich muss nicht da stehenbleiben, wo ich bin. Gott hat einen Weg für mich bereit und diesen Weg will ich gehen.» Jeder Mensch hat seinen Weg zu gehen und keiner verläuft ohne Schmerz. Aber Gott ist da und trägt durch. Heute hat Herta zu ihrer Lebensfreude zurückgefunden. Sie geht sogar wieder auf Reisen.

Kein Happy End und trotzdem dankbar

In schweren Stunden hat Herta viel gehadert und manchmal war der Drang zum Kämpfen stark. «Doch kämpfen bringt nichts», sagt sie. «Du kannst nur akzeptieren und loslassen. Es ist ein ständiges Loslassen. Ein Prozess des Sterbens.» Sie lernte auch die Kraft der Dankbarkeit kennen. Diese gibt ihr heute eine gute Perspektive.

Hertas Ehe ist gescheitert. Es gab keine wundersame Wende, kein filmreifes Happyend. Und ganz ehrlich: Dieses gibt es oftmals nicht. Trotzdem ist ihre Geschichte wert, erzählt zu werden. Denn sie ist gleichzeitig die Geschichte eines Gottes, der einen Weg bereithält – egal, was passiert ist.

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Datum: 16.01.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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