Schlagerpfarrer Stefan Moll

Der Götti der Schlagerfamilie

Kirche und Schlagermusik? Man frage sich auch: Was ist denn genau Kirchenmusik? Da stiess plötzlich eine «Metalchurch» inklusive Pfarrer für Heavy-Metal Fans in die Kirchenlandschaft. Nun steht auch der Schlagerfamilie ein Pastor zu Verfügung.
Schlagerpfarrer Stefan Moll (Bild: www.schlagerfamilie.ch)

Stefan Moll sieht die Kirche gern ohne Mauern, durchlässig zur säkularen Welt. Im Gespräch mit Livenet äusserte er sich zum Vergleich Worship und Schlagermusik, erklärte, weshalb Oberflächlichkeit ganz ok ist und hatte weitere, teils provokante Antworten auf Lager – zu Schlagern.

Hühnerhaut in TV-Sendung und Gott mittendrin

Der initiative Familienvater, Papa Stefan Moll, hatte humorvoll erwähnt, er möge es, selbstgestrickte Socken zu tragen und stricke selber auch gern. Ein kleiner Hinweis, auf seine Gedanken zu Gott und die Welt, die auch mal über die Norm hinausgehen und besondere Aspekte beleuchten.

Der Dienst des Hirten der Schlager-Community steht unter dem Dach der EMK (Methodistenkirche), die auch mit dem Zweig «Kirche Anders» Kirchenformen weiterdenkt.

Livenet war im persönlichen Austausch mit dem «Schlagerpfarrer».

Wie war Ihr Einstieg in diesen speziellen Dienst?
Stefan Moll:
 Vor acht Jahren kam eine Anfrage des Vereins für Volks- und Schlagermusik, ich solle einen Ostergottesdienst bei einem Schlagertreffen gestalten. Erstmals in meiner Tätigkeit als Pfarrer hatte ich an diesem Sonntag frei und sagte zu. Alles weitere hat sich daraus entwickelt. Aktuell ist die Finanzierung der Schlagerfamilie nur noch bis Mitte nächstes Jahr gesichert und muss auf eine neue Basis gestellt werden.

Was bieten Sie den Schlagerfans genau an?
Ich möchte eigentlich keine Angebote schaffen, die wir jemandem bieten. Wir möchten zusammen Kirche sein. Die Schlagerfamilie ist eine – wenn auch seltsame – Art von Kirchgemeinde. Eine «fresh expression of Church». Es gibt keinen Ort, an dem wir uns treffen. Aber es gibt viel Glaube. Allerdings ist den meisten Leuten gar nicht bewusst, wie schön und wie tief ihr Glaube ist. Wir treffen uns meist im Fernsehen auf dem Spartensender Musig24. Hier strahlen wir täglich die Andacht «Grüss Gott» aus und feiern jeden Sonntag Gottesdienst. Mit Schlagermusik. Das tönt nach Einwegkommunikation. Dabei soll es aber nicht bleiben; darum strahlt der Sender an jedem Montagabend ab 19.30 Uhr die Livesendung Stammtisch aus. Hier sind wir mit den Zuschauern im Gespräch. Man kann live in die Sendung anrufen und mitdiskutieren. Um uns auch im realen Leben zu begegnen, führen wir regelmässig die Treffen der Schlagerfamilie durch. Aktuell sammeln wir erste Erfahrungen mit Brunch-Gottesdiensten.

Erzählen Sie uns doch von positiven Begegnungen.
Da könnte ich viel erzählen… Mir begegnen ganz reizende Menschen. Ich bin oft berührt von ihrem Leben. Viele haben ein schweres Schicksal – und sind doch in ihrem Herzen froh geblieben. Mit zum Schönsten gehören für mich die gemeinsamen Predigtvorbereitungen für den Fernseh-Gottesdienst. Wir treffen uns in einem Restaurant und fangen an, über einen Bibeltext zu diskutieren. Meine Aufgabe ist dabei, die Gedanken aus der Gruppe zu notieren und sie später zu einer Predigt zusammenzufügen. Ich bin jeweils ganz ergriffen, wenn Leute, die weder die Bibel lesen und noch Gottesdienste besuchen, derart tiefe Gedanken haben. Sie sind meist selber überrascht, wie viel sie zu sagen haben.

Wie kommt das Geistliche in Ihre Angebote, wie sind die Reaktionen?
«Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen…», sagt Jesus. Indem Jesus mitten unter uns ist, kommt das Geistliche zu uns. Wir treffen uns – und bei uns ist Jesus. Ich neige darum dazu, zu sagen: Alles ist geistlich. Das merken viele gar nicht, aber ich weiss es. Wir sind aber nicht nur zwei oder drei. Wir sind zwischen 20 und 50'000. Wir lachen reden, hören Musik, machen Fernsehen, schauen Fernsehen. Da feiern wir ganz selbstverständlich auch Gottesdienste: mit Gebet und Predigt und allem was dazugehört. So hat auch das eindeutig Fromme seinen Platz, und nicht zu knapp.

Ich führe auch seelsorgerliche Gespräche. Die Schlagerfamilie ist über die ganze Schweiz verteilt, und darum sind Hausbesuche nur sporadisch möglich. Wo aber jemand einen Besuch braucht, fahre ich hin.

Was entgegnen Sie Kritikern, die Schlagermusik als oberflächlich sehen?
Ich entgegne gar nichts. Das ist Sache des Geschmacks. Vielleicht auch eine Frage, ob man sich auskennt oder nicht. Neben zugegebenermassen flachen Liedern gibt es bei den Schlagern auch sehr tiefgründige Texte. Zudem, nicht alles im Leben muss so abgrundtief ernst sein. Warum nicht einfach lachen und schunkeln – zu irgendwas. Macht doch Spass! Manchmal denke ich: Es ist zwischen Schlagermusik und Worship kein soooo grosser Unterschied. Beide neigen dazu, viel Schönes und viel heile Welt zu besingen und die Klage auszublenden. Man darf ja auch einseitig sein.

Zum Abschluss noch ein Highlight?
Highlights sind oft die Anrufe, die wir in der Sendung Stammtisch erhalten. Die Zuschauer erzählen von sich. Da habe ich oft Hühnerhaut – und gar nicht so selten auch Tränen in den Augen. 

Zur Website:
Schlagerfamilie

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Datum: 02.06.2022
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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