Durch den Tod zu neuem Leben
Ja, diese Begegnung ist wichtig für mich. Ich möchte einen Schlussstrich unter ein einschneidendes Erlebnis setzen. Ich möchte der Familie erzählen, wie Elias und ich uns bis zuletzt ermutigt hatten. Und dann soll die Begegnung zu einem Bericht in der Zeitung «Viertelstunde für den Glauben» führen.
In der Wohnung sind Mama Esther, die Kinder Jeriel (14), Davide (12), Hanah (9), Nuria (7) und Barbara, die Mutter von Elias, versammelt. Sie heissen mich herzlich willkommen, freuen sich. Und ich hatte doch eine Trauerfamilie erwartet…
Erinnerungen – und Papas T-Shirts
Interessanterweise kommt das Gespräch nicht gleich auf das dramatische Ereignis. Vielmehr ist es das «Gedächtnisessen» ein Jahr nach dem Tod von Elias. «Mein Sohn hat immer gerne gekocht», sagt Barbara. «Kurz vor dem Ereignis hatte er einen Braten gekauft und tiefgefroren. Diesen haben wir gekocht und zusammen fein gegessen. Über allem war ein tiefer Friede.» Sie schluchzt unvermittelt auf, Esther umarmt ihre Schwiegermama.
«Wir waren alle daheim. Davide und ich schauten einen Film», erinnert sich Jeriel. «Dann kam die Info, dass es Daddy nicht gut geht. Ich zog mich zurück und las zwei Stunden lang in der Bibel. Plötzlich spürte ich eine tiefe Ruhe. Das hielt eine Woche an, während der schlimmsten Zeit.»
Hanah hatte einige Tage nach dem Tod von Elias einen Traum: «Ich und Daddy fuhren in einem Zug. Dann fiel die Brücke in die Schlucht. Daddy hielt mich fest. Fünf Engel erhoben sich vom Dach und verwandelten sich in die leuchtende Gestalt von Gott. Gott stieg in den Abgrund hinunter und hob den Zug auf der anderen Seite wieder auf die Schienen. Ich war so getröstet!»
Daddy ist präsent, vor allem in starken Erinnerungen: an Abenteuer, spannende Games, Kinobesuche, spontane Jam-Sessions (nicht selten auch spätabends), stürmische Umarmungen beim Nachhausekommen. «Er war humorvoll und auf sympathische Art unberechenbar. Einmal sprang er in den Kleidern zu den Kids in die Badewanne», schmunzelt Esther.
Unvermittelt springt Nuria auf. Sie holt eine wunderschöne Flickendecke her. «Schau mal! Jedes von uns hat eine solche Decke gekriegt, mit Kleidern von Daddy!» Tatsächlich ist auf jeder Decke ein Adler sichtbar – Daddys Lieblingstier. Gute Freunde sorgten für diese Überraschung.
Glaube und Freunde tragen durch
«Wir hatten damals alle Corona und waren entsprechend müde und geschwächt. Aber viele Leute waren für uns da. Wir spürten ein grosses Netzwerk – fast so, wie wenn Gott ein Netz über dem Abgrund ausgebreitet hätte», erinnert sich Esther. Helferinnen und Helfer sorgten abwechselnd für warmes Essen, halfen im Haushalt mit, unterstützten die vierfache Mutter, hatten ein offenes Ohr für die Kinder.
Und dann schimmert es doch durch, das Fragen nach dem Warum, das Gefühl der Ohnmacht, die Gewissheit der neuen Situation. «Der Verlust ist gross. Im ersten Moment schrie ich Gott an: Warum machst du das?», sagt Jeriel. Jedoch: «Dann kam der Friede. Die Trauer ist da, aber keine Hoffnungslosigkeit.»
Grossmami «Baba» nickt nachdenklich. «Für mich ist der Verlust nach wie vor sehr gross», presst sie hervor. «Aber wir haben Gott nie angeklagt.» Esther nickt. Elias fehlt. Wie könnte es anders sein?
Ostern persönlich erlebt
Genau ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes sprach Gott zu Esther. Sie ist überzeugt: «Dieser 1. Dezember hat auch eine andere Seite, nicht nur die des Erschreckens, der Trauer. Für Elias war dies gleichzeitig der erste Tag, den er in Gottes Herrlichkeit verbringen durfte.»
«Für Daddy war das sicher der wichtigste Tag in seinem Leben. So etwas wie eine Belohnung», ergänzt Jeriel. Und, erstaunlich weise für sein Alter: «Daddy wurde nicht aus dem Leben gerissen. Er hat seinen Lauf vollendet.»
Barbara schaut in ihre Notizen. Sie liest vor: «Elias, du Menschenfreund, du hast eine grosse Spur hinterlassen. Dein Leben hätte nicht so intensiv weitergehen können. Es war die bestmögliche Unterstützung von oben.»
Für die Geschwister ist das Ganze noch sehr nah. «Ich träume oft von Daddy. Das löst immer etwas aus. Aber es ist positiv», sagt Davide. «Daddy erfand häufig Geschichten von einer Prinzessin Nuria», ergänzt Nuria leise. «Im Adventskalender schenkte mir Jeriel einen Gutschein für eine solche Geschichte!»
Die Betroffenheit, aber auch die mutmachende Hoffnung, das innere Geerdet-Sein der sechs Anwesenden ist fast greifbar. «Wir bleiben nicht bei Karfreitag stehen. Wir gehen hinüber zu Ostern», beschreibt Esther ihre innerste Überzeugung. «Das war immer sehr tröstlich. Wir durften in allem Leid etwas Feierliches spüren. In all dem Erlebten dringt das Himmlische durch.»
Esther arbeitet nach wie vor Teilzeit als Kindergärtnerin. Ihren Halt findet sie im Glauben an Jesus Christus, dem Auferstandenen. Zum Schluss gesteht sie: «Ein halbes Jahr vorher hatte ich plötzlich Angst, völlig aus dem Nichts heraus. Ich wusste: Wenn mit Elias etwas passieren würde, wäre ich völlig aufgeschmissen.» Als Esther ihren Mann darauf ansprach, meinte dieser, dass Gott dann sorgen würde. «Als es dann eintraf, war der Schock nicht so gross wie befürchtet. Das Gefühl des Getragenseins war grösser. Ich weiss: Elias' letzter Tag auf dieser Erde war gleichzeitig sein erster in der ewigen Heimat.»
Dieser Artikel erschien zuerst in der «Viertelstunde für den Glauben». Das Evangelium auf ansprechende Art und Weise selbst weitergeben? Das geht mit der «Viertelstunde»! Die Verteilzeitung «Viertelstunde für den Glauben», herausgegeben von der Schweizerischen Evangelischen Allianz, kann jetzt bestellt und verteilt werden.
Zur Webseite:
Viertelstunde für den Glauben
Zum Thema:
Glauben entdecken
Hope-Kolumne von Cornelia Steiner: Hoffnung trotz Diagnose
Selber gestalten: Hoffnungsvoller Umgang in schwierigen Zeiten
Johannes Hartl im Talk: Gibt es überhaupt noch Hoffnung für die Zukunft?
Datum: 01.04.2023
Autor:
Thomas Feuz
Quelle:
Viertelstunde für den Glauben