Beter und Arbeiter im HC Davos
Eine schwere Verletzung stand am Anfang. Heute weiss sich der tschechische Schlüsselspieler im Dress des HC Davos überall von Gott begleitet. Vor dem Spiel bittet er ihn um Bewahrung - auch für den Gegner. Ein Gespräch kurz vor dem heutigen Start zur neuen Eishockey-Saison in Davos.
Warum wird der HC Davos wieder Meister?
In der Schweizer Liga gibt es viele gute Mannschaften. Die Konkurrenz ist gross. Alle wollen Meister werden. Meister wird, wer hart arbeitet. Und wir arbeiten hart!
Welches war der schönste Triumph für Sie mit dem HCD?
Alle fünf Titel, die ich mit dem HCD gewinnen durfte, waren super! Jeder einzelne war speziell. Ich habe an diese ganze Zeit sehr gute Erinnerungen.
Was empfinden Sie, wenn in der Vaillant-Arena Tausende von Fans «Marha» brüllen?
(lächelt leicht verlegen) Ich bin ein eher scheuer Typ. Wenn Sie «Marha» brüllen, würde ich mich am liebsten verkriechen. Dann denke ich: «Bitte nein, brüllt lieber ‚Arno’, er ist der Chef, das ist mir lieber!» Klar ist es positiv, wenn ich merke, dass mich die Fans lieben. Aber als Tscheche habe ich auch eine andere Einstellung. In unserm Land, das so lange unter kommunistischer Herrschaft war, sagte man uns immer: «Besser den Mund halten und keine Emotionen zeigen!»
Schon vor einem Jahr haben Sie eigentlich Abschied genommen - jetzt folgt die elfte Saison beim HCD. Was hält Sie in Davos?
Eine gute Frage! Ich habe viele Freunde in Davos. Arno Del Curto ist mein Trainer, mein Boss, aber privat auch ein guter Freund von mir. Mit ihm kann ich offen über alles reden. Auch Reto von Arx, die Seele dieser Mannschaft, ist ein guter Freund von mir. Mein Sohn geht jetzt in die zweite Klasse. Er kennt nur Davos. Ihm gefällt es hier. Wir waren im Sommer wieder zwei Monate in der Tschechei. Als die Batterien aufgeladen waren, merkte ich, dass es mich wieder nach Davos zieht. Meine Frau, die auch aus der Tschechei kommt, wäre gerne in Prag geblieben. Doch sie fügt sich. Gott weiss, was richtig ist für uns.
Was steckt hinter den grossen Erfolgen des HCD in den letzten zehn Jahren?
Wir haben einen sehr guten Geist in der Mannschaft. Wir sind wie eine Familie. Wenn ein Spieler Probleme hat, sind alle für ihn da. Wir haben einen Supertrainer. Arno kann es super mit den jungen Spielern, aber auch mit den alten, zum Beispiel mit mir. Wir haben sieben, acht Spieler, die schon lange zusammen sind und den Kern der Mannschaft bilden. Wenn man hart arbeitet, kommt der Erfolg, vielleicht nicht sofort, aber in ein paar Jahren.
Was macht Arno Del Curto anders als andere Trainer?
Wenn Arno auf dem Eis ist, ruft er immer: «Schneller, schneller!» Er setzt uns positiv unter Druck. Er will, dass wir als Spieler und als Mannschaft immer besser werden. Er ist ein harter Trainer, aber vor allem ein Super Motivator. Schon letztes Jahr wollte ich aufhören. Doch nach zwei Monaten Pause merkte ich, dass mein Kopf wieder parat ist. Der Kopf ist alles. Motivation ist alles für mich. Das hat stark mit Arno zu tun.
Was macht Ihnen heute als 35-Jähriger mehr Mühe?
Ich sage mir jeden Morgen: «Ich fühle mich wie zwanzig!» Ich habe viel Spass an meinem Beruf. Die Motivation ist da, die Kraft ist da, das ist kein Problem. Doch ich brauche mehr Erholungszeit. Ich gehe mehr in die Massage, mehr in die Sauna. Wenn ich trainiere, dann muss ich hart arbeiten wie ein 20-Jähriger, denn die Konkurrenz ist da. Doch bei der Sprungschule oder beim Rundenlaufen mache ich heute vielleicht nach drei intensiven Serien zwei weniger intensive. Ich versuche meine Kräfte clever einzuteilen.
Welches war die schlimmste Niederlage mit dem HCD für Sie?
Das war in der letzten Finalserie gegen Kloten. Mit einem Sieg im fünften Finalspiel hätten wir hier in Davos den Titel feiern können. Wir führten nach zwei Dritteln 3:1. Dann machte Kloten noch zwei Tore, und in der Verlängerung schossen sie das Siegestor. Das war schlimm! Einen Tag darauf haben wir aber das sechste Finalspiel in Kloten gewonnen und wurden doch noch Meister.
Wie verdauen Sie solche Niederlagen?
Niederlagen gehören dazu. In unserer Liga sind alle Mannschaften gut. Man muss versuchen, das Spiel rasch zu vergessen und nach vorne zu schauen. Nach einem Match schlafe ich sowieso nicht gut. Da ist der Adrenalinspiegel viel zu hoch.
Wie erholen Sie sich am besten nach den aufregenden Spielen?
Viel schlafen, gut essen, eine Massage. Oft haben wir ja Doppelrunden am Wochenende, am Spenglercup sogar mehrere Spiele hintereinander. Dann ist man körperlich fertig, das ist normal. Dann ist es entscheidend, was sich im Kopf abspielt.
Leidet Ihre Familie manchmal unter dem Eishockey?
Die Familie spielt eine grosse Rolle in meinem Leben. Doch ich versuche klar zu trennen: Hockey ist Hockey, und Familie ist Familie. Wenn ich frei habe, ist die Familie dran.
Der HCD ist dann auch ein Thema?
Nein, denn meine Frau hasst Hockey! Sorry, aber das ist so. Sie war in den elf Jahren, seit wir hier sind, nie im Stadion. Sie ist mehr der intellektuelle Typ und macht heute null Sport. Sie war früher Englischlehrerin, doch jetzt betreut sie unsere beiden Kinder. Und das ist die härteste Arbeit, die man sich denken kann! Sie schaut sich vielleicht einmal ein Spiel unseres achtjährigen Sohnes an, der auch Hockey spielt. Meine Frau nimmt das Leben auch, wie es kommt. Wir können ja nicht wissen, was morgen sein wird.
Und der Papa ist stolz auf seinen kleinen HCD-Star?
(rümpft die Stirn) Ja, ein wenig. Ich wollte eigentlich nicht, dass er Hockey spielt, denn ich weiss ja, wie hart dieser Sport ist. Doch jetzt unterstütze ich ihn natürlich, denn ich sehe, dass er sehr motiviert ist und viel Talent hat. Ich sage ihm: «Du musst hart arbeiten, aber du musst es mit Spass tun!» Simon Jan macht bei den Bambini viel mehr Tore als ich, er hat mehr Talent als ich! Doch ich spiele auch Schach mit ihm. Und ich spreche über Gott mit ihm.
Wie haben Sie selber zu Gott gefunden?
Meine Frau und ich wurden 1998 Christen. Ich spielte damals in Anaheim in Kalifornien und war schon mit Veronika zusammen. Wegen einer starken Verletzung konnte ich drei Monate nicht spielen. Das war schlimm, denn Hockey war alles für mich. Ich war als Mensch wie leer. Ich suchte und suchte nach einem Ausweg. Eines Abends waren wir mit Freunden zusammen. Dass sie Christen waren, wussten wir nicht.
Bevor sie gingen, sagte eine der Frauen, eine Jüdin, zu mir: «Mein Leben hat sich verändert.» Ich fragte sie, ob sie darüber reden wolle. Wir haben zwei Stunden über ihren Glauben an Jesus gesprochen. Darauf begann in Veronika und mir ein Prozess. Wir haben uns den Film über Jesus angeschaut. Diese Jüdin brachte uns mit messianischen Juden zusammen. Wir haben zusammen gebetet. Wir haben uns bekehrt und wurden getauft. Bald haben wir geheiratet, getraut von einem messianischen Juden.
Wer war Gott vorher für Sie?
In der Tschechei gibt es auf vielen Strassen alle 300, 400 Meter ein Kreuz mit Jesus. Diese Kreuze waren für mich wie Bäume. Sie sagten mir nichts. Ich bin völlig gleichgültig an ihnen vorbeigegangen. Ich habe nie über Gott nachgedacht.
Was bedeutet Ihnen Jesus Christus heute?
Alles! Ich bin überzeugt, dass mich Gott in jedem Moment meines Lebens sieht und begleitet. Ich weiss, dass ich Fehler mache, oft grosse Fehler. Ich weiss, dass ich nie perfekt sein werde. Manchmal frage ich mich auch: «Warum habe ich diesen Fehler gemacht?» Ich frage mich dann auch, ob ich ein guter Christ bin. Doch ich weiss, dass Jesus mich nie verlässt und mir vergibt. Ich weiss, dass ich durch ihn gerettet bin. In meinem Alltag ist er mein Vorbild.
Welcher Bibelvers beflügelt Sie?
Ich denke an Johannes Kapitel 3, Vers 16: «Also hat Gott die Welt geliebt...» Aber auch an Psalm 91, Vers 2: «Du bist meine Zuflucht, bei dir bin ich sicher wie in einer Burg!»
Was hilft Ihnen der Glaube im Sport?
Ich weiss, dass mein Job harte Arbeit ist. Doch ich weiss auch, dass Gott den Segen geben wird. Er sorgt für mich. Ihm spielt es keine Rolle, ob ich gewinne oder verliere. Doch er lehrt mich, wie ich mich im Erfolg und im Misserfolg verhalten soll. Erfolg kann sehr gefährlich sein! Ich spüre einfach, dass Gott da ist. Ich spüre, dass er mich führt. Ich fühle mich begleitet. Gott ist immer bei mir, wo ich auch bin.
Wie trainieren Sie Ihren Glauben?
Ich lese die Bibel, vor allem in Englisch, aber auch in Tschechisch. Wir besuchen auch einmal einen Gottesdienst in der Heilsarmee oder in der FEG, wenn es möglich ist. Ich versuche, von guten Pastoren und andern Christen zu lernen. Ich bete für mich und unsere Familie. Ich bete auch vor jedem Spiel. Ich bitte Gott um Bewahrung für mein Team, aber auch für das andere Team. Und ich bitte darum, dass ich ein guter Zeuge Gottes sein kann.
Wofür danken Sie Gott?
Für alles! Für meine Frau, für unsere Kinder, für das gute Leben hier in Davos. Wir sind gesegnet! Wenn ich an die kommunistischen Regimes früher oder an arabische Länder heute denke, dann kann ich Gott nur dankbar sein für unsere Freiheit.
Reden Sie mit Ihren Mitspielern über den Glauben?
Ja, immer wieder, meist ganz spontan, je nach Situation. Auch mit Arno rede ich über den Glauben, er ist sehr interessiert.
Wie vermitteln Sie Ihren Kindern den Glauben?
Wir beten für sie, das ist das Wichtigste. Wir haben viele Kinderbibeln. Ich will ihnen ein gutes Vorbild sein. Simon Jan ist jetzt acht Jahre alt, Krystina Anna erst 20 Monate. Simon Jan ist kein Baby mehr und noch kein Teenager. Er ist in einem schwierigen Alter. Als er fünf war, konnte ich ihm sagen: «Jesus macht das schon.» Jetzt hat er viele Fragen. Er will alles erfassen können. Doch er ist auf dem Weg des Glaubens.
Was möchten Sie Ihren Kindern mitgeben fürs Leben?
Den Glauben an Gott. Höflichkeit und Hilfsbereitschaft. Mit Motivation und Freude an einer Sache bleiben, auch wenn sie harte Arbeit bedeutet.
Wie sollen sich die Fans einmal an Sie erinnern?
Sie sollen mich nicht nur als Hockeyplayer in Erinnerung behalten, sondern auch als gutes Beispiel ausserhalb des Stadions, als guter Familienvater auch, aber nicht als Showman. Wenn gefeiert wird, bin ich nicht in der vordersten Reihe, aber beim Spielen schon. Daran sollen die Fans denken.
Können Sie sich ein Leben ohne Eishockey vorstellen?
Der Tag wird kommen! Doch ich lasse die Zukunft auf mich zukommen. Vielleicht werde ich auch einmal Coach, vielleicht sogar in der Schweiz. In fünfeinhalb Stunden sind wir ja mit dem Auto in Prag. Es ist gut, wenn meine Frau das weiss ...
Welche Pläne hat Gott wohl für Sie?
Keine Ahnung. Gott führt mich. Aber manchmal sehen wir unsern Weg nicht klar. Manchmal führt er uns zehn Schritte vorwärts, dann wieder drei zurück. Ich glaube, dass meine Zukunft im Hockey sein könnte. Wer weiss ...
Worauf freuen Sie sich jetzt am meisten?
Ich will einen Tag nach dem andern nehmen und mich auf den nächsten Tag freuen. Ich will nicht zu weit vorwärts schauen. Ich habe ein neues Hobby, das Fotografieren. Es kann mir helfen, stehenzubleiben und langsamer zu werden. Ich will lernen, den jetzigen Moment bewusster wahrzunehmen und mich daran zu freuen.
Josef Marha
Geboren am 2. Juni 1976 in der Tschechoslowakei, 183 Zentimeter, 87 Kilo, verheiratet mit Veronika, zwei Kinder (Simon Jan, 8, Krystina Anna, 20 Monate), Eishockey-Profi, seit 2001 beim HC Davos, fünf Meistertitel (2002, 2005, 2007, 2009, 2011). Vorher bei Dukla Jihlava (CZE), Cornwall Aces (AHL), Hershey Bears (AHL), Colorado Avalanche (NHL), Anaheim Mighty Ducks (NHL), Cincinnati Mighty Ducks (AHL), Portland Pirates (AHL), Chicago Blackhawks (NHL), Norfolk Admirals (AHL). Hobbys: Familie, Schach, Fotografieren.
Heute, am Freitag, 9. September 2011, 19.45 Uhr, startet Josef Marha in der Vaillant Arena mit dem HCD gegen die SCL Tigers in die neue Saison.
Webseite:
Idea Spektrum Schweiz
Zum Thema:
Josef Marha - HC-Davos-Star: «Gott ist meine Stärke!»
Datum: 09.09.2011
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: idea Spektrum