„Meilenstein auf dem Weg der Versöhnung“
Livenet dokumentiert Bekenntnis und Antwort (Confession, Réponse à la confession en bas / Statement of regret, Response see below).
In der Mitte der Tagung im Grossmünster stand ein Bekenntnis zur Versöhnung von Reformierten und Täufern, das Kirchenratspräsident Pfr. Ruedi Reich im Gottesdienst sprach. Ernest Geiser von den Schweizer Mennoniten antwortete darauf.
Bekenntnis
Reformierte Kirchen und Täuferbewegung sind Zweige desselben evangelischen Astes am grossen christlichen Baum. Beide sind Kinder der Reformation. Doch ihre Wege haben sich bereits am Anfang getrennt. Ein tragischer Riss geht durch die Zürcher Reformationsbewegung und hat bis heute seine Spuren hinterlassen. Hinrichtungen, Verfolgung und Vertreibung sollten die Täuferbewegung ausrotten. Doch die Täuferbewegung hat überlebt und ist bis heute lebendig geblieben, wofür uns die Nachfahren der Täufer ein lebendiges Zeugnis sind. Verfolgte vergessen ihre Geschichte nicht. Verfolger dagegen verdrängen sie gerne. Wir – Vertreter und Vertreterinnen der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich – sind uns heute bewusst, dass unsere Kirche die Geschichte der Verfolgung der Täufer weitgehend verdrängt hat.
Wir bekennen, dass die damalige Verfolgung nach unserer heutigen Überzeugung ein Verrat am Evangelium war und unsere reformierten Väter in diesem Punkt geirrt haben.
Wir halten fest, dass das Urteil über die Täufer im Zweiten Helvetischen Bekenntnis, das die Lehren der Täufer als unbiblisch verwirft und mit ihnen jede Gemeinschaft verweigert, für uns nicht mehr gilt und wir bestrebt sind, das Verbindende zu entdecken und zu bestärken.
Wir anerkennen die Gläubigen der täuferischen Tradition als unsere Schwestern und Brüder und ihre Gemeinden als Teil des Leibes Christi, dessen unterschiedliche Glieder durch den einen Geist miteinander verbunden sind.
Wir achten den radikalen Ansatz der Täuferbewegung, als eine freie Gemeinschaft von entschiedenen Gläubigen Salz der Erde und Licht der Welt zu sein und die Botschaft der Bergpredigt konkret umzusetzen.
Es ist an der Zeit, die Geschichte der Täuferbewegung als Teil unserer eigenen Geschichte zu akzeptieren, von der täuferischen Tradition zu lernen und im Dialog mit den täuferischen Gemeinden das gemeinsame Zeugnis des Evangeliums zu verstärken.
In Anlehnung an die reformierte Tradition bekennen wir:
Wir gehören nicht uns selbst. Wir gehören Jesus Christus, der uns in seine Nachfolge ruft und uns auffordert, uns mit jenen Brüdern und Schwestern zu versöhnen, die etwas gegen uns vorbringen können.
Wir gehören nicht uns selbst. Wir gehören Jesus Christus, der uns durch das Kreuz mit Gott versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung anvertraut hat.
Wir gehören nicht uns selbst. Wir gehören Jesus Christus, der die Mauer der Feindschaft zwischen uns niedergerissen und Nahe und Ferne in einem Leib vereinigt hat.
Antwort auf das Bekenntnis der Evangelisch-Reformierten Kirche des Kantons Zürich
Liebe Mitglieder der Evangelisch-Reformierten Kirche des Kantons Zürich, liebe Schwestern und Brüder in Christus,
Eure Einladung, gemeinsam mit Euch diesen Tag vorzubereiten und zu gestalten, hat uns berührt. Bereits 1925 und 1952 wurden hier, an diesen historisch wichtigen Stätten, internationale Vertreter der Mennoniten empfangen. Aus einer gemeinsamen Wurzel der Reformation entstammend, ist das Täufertum durch den Bruch und den erlebten Widerstand gegenüber uns wichtigen theologischen Überzeugen der Radikalität und der Nachfolge Christi geprägt. Die Verfolgungen in Zürich und anderswo haben zur Zerstreuung der Täufer geführt. Infolgedessen lebten Täufer ihre Überzeugungen auf dem Prüfstein ganz unterschiedlicher Ausgangslagen und Zusammenhänge.
Heute sind wir Schweizer Mennoniten in der Region Zürich nicht mehr vertreten. Im Verlauf der Jahrhunderte waren wir unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt. Ausgestossen und an den Rand gedrängt, verharrten wir zu lange in einer manchmal selbstgefälligen Abgrenzung von der Welt und der Gesellschaft. Wir bekennen, dass unsere Gemeinden unsere Auslegung des Evangeliums häufig nicht widerspiegeln. Da begegnen uns Angepasstheit, Einengung, Absonderung und Hochmut.
Weil uns die Geschichte als Opfer bezeichnet, stehen wir in der Gefahr, eine Opfermentalität zu entwickeln. Allerdings möchten wir hier und heute betonen, dass wir, Nachkommen der ehemals verfolgten Täufer, uns nicht mehr als Opfer sehen und verstehen. Wir erwarten keine materiellen Entschädigungen für vergangene Ungerechtigkeiten; denn eine solche Haltung widerspricht in unsern Augen dem Geist des Evangeliums. Die Tatsache jedoch, dass ihr die problematischen Aspekte eurer Geschichte mit uns anerkennt, hilft uns uns anders zu sehen und Euch anders zu begegnen. Wir danken Euch deshalb für euer Bekenntnis und möchten es im Geist der Vergebung annehmen.
Die seit vielen Jahren und an verschiedenen Orten erlebte Zusammenarbeit zwischen Täufern und Reformierten, ist ein Zeugnis vom beiderseitigen Willen, die alten Streitigkeiten abzulegen und die gemeinsame Zugehörigkeit zum Leib Christi bewusst zu leben. Angesichts der wiederholten Bitten um Vergebung von Reformierter Seite fühlen wir uns auch etwas unwohl. Vielleicht ist dies jedoch ein Zeichen, dass es an der Zeit wäre, dass wir zusammen unsere Vergangenheit mit Gottes Hilfe nochmals anschauen. Es gibt für uns keine Kirche mehr, der wir uns entgegenstellen müssen, und ihr habt keine Gläubigen mehr, die gewaltsam integriert werden müssen.
Trotz allem prägen uns tiefe Überzeugungen, die häufig auch von andern aus Erweckungsbewegungen entstandenen Freikirchen geteilt werden, insbesondere im ethischen und ekklesiologischen Bereich. Es ist unser Anliegen sie im Leib Christi zu teilen; wir möchten deshalb den Wunsch äussern, dass zwischen unseren kirchlichen und theologischen Überzeugungen ein längerfristiger Dialog entsteht, um unser gemeinsames Zeugnis für Christus und sein Evangelium zu stärken.
Der 26. Juni 2004 ist und bleibt ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Versöhnung. Die Gedenktafel, die heute in Zürich feierlich eingeweiht wird, zeugt von der Ernsthaftigkeit mit der dieser Weg der Versöhnung beschritten wird. Wir sind tief betroffen von euren Worten und den zeichenhaften Handlungen und danken euch ganz herzlich dafür. Liebe Geschwister der Evangelisch-Reformierten Kirche des Kantons Zürich, möge Gott Euch segnen und Euch seine Gnade und seinen Frieden schenken.
Konferenz der Mennoniten der Schweiz
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Confession
Les Eglises réformées et le mouvement anabaptiste sont des rameaux de la même branche évangélique du grand arbre du christianisme. Tous deux sont des enfants de la réformation. Cependant leurs voies se sont séparées dès le commencement. Une rupture tragique s’est produite à travers dans le mouvement de la réformation zurichoise et a laissé des traces jusqu’à aujourd’hui. Des exécutions, persécutions et expulsions devaient anéantir le mouvement anabaptiste. Il a cependant survécu et est resté vivant jusqu’à ce jour, en sorte que ses descendants nous sont un témoignage vivant.
Les persécutés n’oublient pas leur histoire. Les persécuteurs par contre la refoulent volontiers. Nous – représentants et représentantes de l’Eglise réformée évangélique du canton de Zurich – sommes aujourd’hui conscients du fait que notre Eglise a dans une large mesure refoulé l’histoire de la persécution des anabaptistes.
Nous confessons que la persécution de l’époque selon notre conviction actuelle était une trahison de l’Evangile et que nos pères réformés se sont trompés sur ce point.
Nous affirmons que le jugement porté par la Confession Helvétique Postérieure à l’encontre des anabaptistes, à savoir le rejet de sa doctrine comme étant non biblique et le refus de toute relation avec eux, n’est plus valable pour nous et nous nous efforçons de découvrir et de renforcer ce qui nous rassemble.
Nous reconnaissons les croyants de la tradition anabaptiste comme nos sœurs et nos frères et leurs communautés comme une part du corps du Christ, dont les différents membres sont réunis par le même Esprit unique.
Nous respectons l’interprétation radicale de la tradition anabaptiste à être, en tant que communauté libre de croyants engagés, sel de la terre et la lumière du monde, et à pratiquer concrètement le message du sermon sur la montagne.
Il est donc temps d’accepter l’histoire du mouvement anabaptiste comme faisant partie de notre propre histoire, de s’instruire de sa tradition et en dialogue avec ses communautés de renforcer le témoignage commun de l’Evangile.
En suivant l’exemple de la tradition réformée nous confessons :
Nous ne nous appartenons pas à nous-mêmes. Nous appartenons à Jésus Christ, qui nous appelle à sa suite et nous engage, à nous réconcilier avec chacun des frères et des sœurs qui peuvent alléguer quelque chose contre nous.
Nous ne nous appartenons pas à nous-mêmes. Nous appartenons à Jésus Christ, qui grâce à la croix nous réconcilie avec Dieu et nous a confié le service de la réconciliation.
Nous ne nous appartenons pas à nous-mêmes. Nous appartenons à Jésus Christ, qui a brisé entre nous le mur de l’inimitié et qui de près ou de loin nous a réunis en un seul corps.
Réponse à la confession de l'Eglise réformée zurichoise
Chers membres de l'Eglise réformée zurichoise, frères et sœurs en Christ.Nous sommes touchés par votre invitation à préparer et à vivre cette journée avec vous. En 1925 et 1952 déjà, des représentants mennonites internationaux furent reçus officiellement en ces lieux très significatifs au début de nos Histoires. Issu du tronc commun de la Réforme, l'Anabaptisme est marqué par la rupture et l'opposition à sa théologie de la radicalité et de la "suivance" du Christ. Les persécutions, à Zurich comme ailleurs, ont aussi provoqué la dispersion des chrétiens anabaptistes sous d'autres cieux où nos compréhensions ont été vécues et éprouvées dans divers contextes.
Aujourd'hui, mennonites de Suisse, nous ne sommes plus présents sur les terres zurichoises. Au cours des siècles passés, nous avons subi des influences diverses. Poussés à l'écart, nous sommes restés trop longtemps et non sans nous y complaire en retrait du monde et de la société. Nous confessons que la réalité de nos communautés ne correspond pas toujours à notre interprétation de l'Evangile; nous constatons des conformismes, des atrophies, des replis et de l'orgueil.
L'Histoire nous désigne comme les victimes, elle peut nous inciter à rester dans ce rôle. Cependant, les descendants des anabaptistes jadis persécutés qui se trouvent aujourd'hui parmi vous, n'éprouvent plus des sentiments de victimes. Pour les injustices du passé nous ne souhaitons pas recevoir de réparation matérielle; cela nous semblerait contraire à l'Esprit de l'Evangile. Mais le fait que vous reconnaissiez les côtés problématiques de votre histoire face à la nôtre, nous aide à nous voir et à vous rencontrer autrement. Nous accueillons votre confession avec une attitude de pardon.
Depuis de nombreuses années et en divers lieux, les occasions de collaboration entre mennonites et réformés témoignent d'une volonté réciproque de dépasser nos conflits d'antan et de vivre notre appartenance commune au Corps de Christ. Aussi nous arrive-t-il d'éprouver de la gêne par rapport à la répétition des demandes de pardon. Est-ce là un signe que l'heure se précise où nous avons, de part et d'autre et avec le secours de l'Esprit Saint, à visiter notre passé? Il n'y a plus pour nous d'Eglise à laquelle nous aurions à nous opposer et vous n'avez plus de croyants à réintégrer de force. Nous gardons néanmoins des convictions fortes, souvent partagées par les mouvances des Eglises libres issues des Réveils successifs, en particulier dans les domaines éthique et ecclésiologique. Nous souhaitons les partager au sein du Corps de Christ et nous exprimons le désir d'entamer un dialogue de plus longue haleine entre nos convictions ecclésiales et théologiques afin de renforcer le témoignage commun à Jésus-Christ et à son Evangile.
Ce 26 juin 2004 restera une étape marquante de notre chemin de réconciliation. La plaque officielle, dévoilée aujourd'hui en ville de Zurich, atteste que les démarches sont vécues avec détermination. Nous sommes concernés par vos paroles et vos gestes, nous vous exprimons notre reconnaissance. Chers frères et sœurs de l'Eglise réformée zurichoise, que Dieu vous bénisse et qu'il vous donne sa grâce et sa paix!
Conférence Mennonite Suisse
The Reformation and the Anabaptists
Conference of the 26th June 2004
Statement of regret
The Reformed Churches and the Anabaptist movement are all essentially branches on one and the same bough of the great Christian tree. Both are offsprings of the Reformation. Right from the start however they went their separate ways, so that a tragic rift ran through the Zurich Reformation, painful traces of which are discernable to this day. Executions, persecution and expulsions were carried out to eliminate the Anabaptist movement. Yet it has survived and is still flourishing today. The descendants of those early Anabaptists are a living testimony to this.
The persecuted do not forget their history; the persecutors by contrast would prefer to do so. We – representatives of the Reformed State Church of the Canton of Zurich – acknowledge that our church has largely suppressed the story of the persecution of the Anabaptists.
We confess that that persecution was, according to our present conviction, a betrayal of the Gospel and that our Reformed forefathers were in error on this issue.
We affirm that the judgement against the Anabaptists in the second Helvetian Confession, which discards the teaching of the Anabaptists as unbiblical and refuses any communion with them, is no longer valid for us and that it is now our earnest desire to discover and strengthen our common ties.
We acknowledge the faithful of the Anabaptist tradition as our sisters and brothers and their churches as part of the body of Christ, whose diverse members are united through the Spirit of God.
We honour the radical approach of the Anabaptist movement to be the salt of the earth and the light of the world as a free community of committed believers putting into practice the message of the Sermon on the Mount.
It is time to accept the history of the Anabaptist movement as part of our own, to learn from the Anabaptist tradition and to strengthen our mutual testimony through dialogue.
Following the example of our reformed tradition, we confess:
We do not belong to ourselves. We belong to Jesus Christ who calls us to follow him and to be reconciled with those brothers and sisters who have any just reasons to reproach us.
We do not belong to ourselves. We belong to Jesus Christ who reconciles us with God through his death on the cross and has committed to us the ministry of reconciliation.
We do not belong to ourselves. We belong to Jesus Christ who tore down the wall of enmity and united people near and far in one body.
In response to the confession coming from the Reformed Church of Zurich
Dear members of the Reformed Church of Zurich, our brothers and sisters in Christ.
We are very touched to have been invited to prepare and live out this day with you. Already in 1925 and in 1952, other international Mennonite representatives were officially welcomed here in this place which represents a very significant moment at the beginning of our history. Though issuing from the same source in the Reformation, Anabaptism has been marked by the breaking off and rejection of the accents of a radical theology and the "following" of Christ. Persecution, in Zurich and in other places, provoked the scattering of the Anabaptists in many other countries where our way of understanding were lived out and tested in many different situations.
As of today, Swiss Mennonites as such are no longer present in the land around Zurich. Throughout the last few centuries, we have been influenced in different ways. Having been pushed to the side, we have become used to – and even finding some satisfaction in - being a bit cut off from the world and society. We confess that the reality of our communities do not always correspond to our interpretation of the Gospel; we can find there conformism, atrophy, withdrawal, and pride.
History may designate us as victims, and could incite us to find satisfaction in that. However, those here among you today, descendants of those Anabaptists persecuted in the past, no longer feel as victims. We do not ask for material retribution for the past: that would seem to us to be contrary to the Spirit of the Gospel. But the fact that you recognize the difficult points of your history in relation to ours helps us to see ourselves and to meet you differently. We receive your confession with a forgiving attitude.
For many years now, and in many places, many opportunities for collaboration between members of Reformed and Mennonite churches have demonstrated a common will to overcome our old conflicts and to live out our belonging to the same body of Christ. This is why it is sometimes embarrassing for us to be once again asked for forgiveness. Maybe it is a sign that it is the moment for all of us to revisit our past, with the help of the Holy Spirit? There is no longer any church for us to oppose, and you no longer have any believers to re-integrate by force. We maintain however strong convictions, which are often shared by other free church movements issued from successive Revivals, in particular to that which pertains to more ethical and ecclesiological questions, that we would like to see more widely shared throughout the body of Christ. We would like to see them shared more broadly in the body of Christ and we would like to engage in a longer dialogue concerning our church and theological traditions in order to reinforce our common witness to Jesus-Christ and his gospel.
The 26th of June 2004 will remain an important step forward on the road of reconciliation. The plaque that will be unveiled today in this city of Zurich attests that actions have been taken with determination. We feel concerned by your words and deeds and we want to express our gratitude. Dear brothers and sisters of the Reformed Church of Zurich, may God bless you and give you his grace and his peace!
Swiss Mennonite Conference
Quelle: Reformierte Landeskirche des Kantons Zürich
Datum: 30.06.2004