Vorwurf von J.D. Vance

Kann privates Gebet daheim wirklich strafbar sein?

Zusammen im Gebet einstehen
US-Aussenminister Vance hat in München unter anderem behauptet, dass in den Abtreibungs-«Schutzzonen» von Schottland nicht einmal privat in einem Haus gebetet werden dürfe. Stimmt das?

Die Vance-Schelte an seiner Rede in der Münchner Sicherheitskonferenz traf die Europäer empfindlich – die geharnischten Reaktionen zeigen das. Der US-Vizepräsident hat sich sicher gut vorbereitet, als er seine Beispiele für die bedrohte Redefreiheit in Europa auswählte. An einem Punkt scheint er allerdings über das Ziel hinausgeschossen zu sein.

Schottland und seine «Safe access zones»

Wie Livenet mehrmals berichtete, gibt es in Grossbritannien und Schottland sogenannte «Sichere Zugangsbereiche» (safe access zones), etwa 200 Meter rund um Abtreibungsklinken, in denen etwa schon stilles Gebet als verbotene Behinderung einer Abtreibung gelten kann. Vance erwähnte den Fall des Christen Adam Smith Connor, der zu einer hohen Geldbusse verurteilt wurde, weil er genau das tat: in einer solchen Zone still beten.

Dann verschärfte Vance allerdings den Vorwurf: «Im vergangenen Oktober, vor nur wenigen Monaten, begann die schottische Regierung, Briefe an Bürger zu verteilen, deren Häuser in sogenannten sicheren Zugangsbereichen lagen, und warnte sie, dass sogar privates Gebet in ihren eigenen vier Wänden als Gesetzesverstoss gelten könnte. Natürlich forderte die Regierung die Empfänger auf, verdächtige Mitbürger, die eines Gedankenverbrechens schuldig sein könnten, zu melden. In Grossbritannien und ganz Europa, so fürchte ich, ist die Meinungsfreiheit auf dem Rückzug.»

Stimmt dieser Vorwurf? Ist privates Gebet schon bald ein Verbrechen?

Differenzieren ist nötig

Die christliche Menschenrechtsorganisation «Alliance for Defending Freedom» hat auf X den betreffenden Brief der Regierung im Originaltext veröffentlicht. Darin heisst es: «Im Allgemeinen finden solche Übertretungen an öffentlichen Orten innerhalb der sicheren Zugangsbereiche statt. Allerdings können Aktivitäten an privaten Orten (wie etwa ein Haus) in einem Gebiet zwischen den geschützten Gebäuden und der Grenze dieses Bereiches eine Übertretung darstellen, wenn sie innerhalb der Zone gesehen oder gehört werden können und mit Absicht oder rücksichtslos geschehen.»

Was muss man darunter verstehen? Darf man in der «Schutzzone» ein Plakat aus dem Fenster hängen lassen? Offenbar nein. Darf man aus dem offenen Fenster etwas herausrufen, das gegen Abtreibung gerichtet ist? Ebenfalls nicht.

Aber still in einem Haus beten? Es scheint, hier hat Vance aus rhetorischen Gründen einen Extremfall konstruiert, der lächerlich unwahrscheinlich ist. «Gebet im eigenen Haus» wird in dem Brief der Regierung nicht erwähnt, sondern lediglich «absichtliches und rücksichtsloses Verhalten».

Zwei Erkenntnisse

Zwei Erkenntnisse aus diesem Punkt der Rede von J.D. Vance:

Erstens: Ja – die Gedanken-, geschweige denn die Redefreiheit ist bedroht, wenn selbst stilles öffentliches Beten eine Strafhandlung darstellt. Es ist Denkzensur, wenn ein Polizist fragt: «Was haben Sie da gerade gedacht?»

Zweitens: Gerade um sauber und fair zu bleiben – weil das Thema wichtig ist –, sollten Christen nicht populistisch argumentieren, sondern bei den Fakten bleiben. Sonst bietet man sich zu schnell eine unnötige Angriffsfläche und riskiert damit, das ganze (wichtige) Thema zu verlieren.

Zum Thema:
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Datum: 26.02.2025
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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