Mission und Entwicklungshilfe könnten voneinander lernen
Die Tagung vermittelte Hintergrundwissen durch erfahrene Fachleute aus dem Bereich Mission und Entwicklungszusammenarbeit. Dabei benannte Luc Bigler, Leiter der Missionsgesellschaft Interserve und früherer Mitarbeiter bei der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) Vor- und Nachteile von staatlicher und privater Entwicklungshilfe. Die Stärken der Missionsgesellschaften bei Entwicklungsprojekten liege im langfristigen Engagement ihrer Mitarbeitenden, in ihrer Beweglichkeit, in ihrem ganzheitlichen Denken, das auch den Glauben der Menschen ernst nehme sowie auch darin, dass sie Gemeinden aufbauen, die Modelle für soziales Zusammenleben bilden.
Die Vorteile, welche die staatliche Entwicklungszusammenarbeit geniesse, seien die höheren finanziellen Mittel, die Verpflichtung zu Transparenz der Arbeit sowie der Pflicht zur Rechenschaft über die erreichten Ziele und erbrachten Resultate.
Tabuisierung von Glaube und Spiritualität
Die Nachteile und Risiken staatlicher Entwicklungshilfe lägen dagegen darin, dass sie oft die örtlichen Gegebenheiten und Menschen zuwenig ernst nehme und viel vom Schreibtisch aus operiere. Das fehlende Vertrauen werde dann durch Kontrolle ersetzt. Auch seien viele Mitarbeitende nicht motiviert, diese Arbeit als Lebensaufgabe anzusehen oder längerfristig zu tun. Ein Hauptproblem sieht Bigler in der „Tabuisierung von Glaube und Spiritualität“ der Menschen in den Projektländern. Hier werde unsere Kultur der starken Trennung von Kirche und Staat auf diese Länder übertragen, was nicht ohne Schaden bleibe.
Persönliches Engagement und Transparenz
Von den Missionsgesellschaften wünscht er sich hingegen, dass sie von modernen Managementmethoden der staatlichen Organisationen sowie in der Pflicht, Ziele zu setzen und diese zu überprüfen, anstecken lassen. Damit könnten sie bei den Spendenden an Glaubwürdigkeit gewinnen, ist Bigler überzeugt. Ausserdem müssten sie stärker zusammenarbeiten und sich koordinieren, was in Einzelfällen wie etwa in Nepal oder Kirgistan praktiziert werde. Sie könnten damit einen Vorteil der staatlichen Organisationen, welche einen besseren Zugang zu Behörden und Regierungen hätten, teilweise wettmachen.
Bescheidenheit und Transparenz
Bigler wünscht sich, dass gerade christliche Organisation und ihre Mitarbeitende vom Gefühl der moralischen Überlegenheit gegenüber den Menschen in den Projektländern befreien. Barbara Becker, Projektleiterin bei der ETH, forderte ebenso auf, die eigenen Denkmuuster im Kontakt mit Menschen aus andern Kulturen, besonders auch denen, die zu uns kommen, zu überprüfen. Sie wünscht sich mehr Bereitschaft der Schweizer Kirchen und Missionsgesellschaften, Menschen anzunehmen, zu integrieren und ihnen Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Samuel Jutzi, Leiter des FAO-Vogelgrippe-Programms, sprach sich für den tatkräftigen Einsatz zugunsten des Milleniums-Entwicklungsziele aus, die aus einer christlichen Werthaltung heraus entstanden seien. Er unterstützte die Forderung von Luc Bigler, auch den Glauben als wesentliches Element der Entwicklungsarbeit zu gewichten.
Der Theologe Dieter Kemler unterstütze den Gedanken aus der Tagung, für die Entwicklungszusammenarbeit Menschen zu rekrutieren, welche die Menschen in den Projektländern lieben und ihnen auf der Beziehungsebene und nicht nur auf der Sachebene begegnen.
In der Diskussion wurde die Frage nach der Nachhaltigkeit von Entwicklungsprojekten aufgeworfen: Wieviele Schulen und Spitäler arbeiten noch, die zum Beispiel vor 50 Jahren an einheimische Leiter übergeben wurden? Welches sind die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren dabei. Eine Frage, der an einer Nachfolgetagung weiter nachgegangen werden müsste.
Website: www.interserve.org/ch/de/wir.html
Quelle: Livenet/VBG
Datum: 16.06.2006
Autor: Fritz Imhof