Migrationskirchen

Afrikanische Gemeinden bereichern die Schweiz

«Wir kommen zum Feiern zusammen, unsere Gottesdienste sind Feste.» Eduardo Kiakanua, Kenner der Migrationskirchen, erläutert im Gespräch mit Livenet, was frankophone Afrikanergemeinden in der Schweiz für die Migranten leisten – und was sie den Einheimischen anbieten.
«Afrikaner brauchen Gemeinschaft»: Eduardo Kiakanua

Halt für Migranten

«Afrikaner brauchen Gemeinschaft, wenn sie als Migranten unter Druck kommen und an den Rand ihrer Kräfte geraten, wenn die Fremdheit der anderen Kultur und Sprache sie verwirrt. Da sind sie froh, eine Gemeinschaft zu finden. Es gibt bereits über 100 frankophone afrikanische Gemeinden in der Schweiz. Sie haben eine doppelte Rolle: das Evangelium zu verkündigen und einen Rahmen der Integration zu bieten. Wenn der Afrikaner in eine Migrationskirche kommt, gewinnt er Bezugspunkte, die ihm Halt geben. Abgeschnitten von seiner Ursprungskultur, findet er Elemente von ihr wieder. In einer Afrikaner-Gemeinde kann er seinen Glauben besser leben.

Kontakte zu einheimischen Gemeinden

Der Austausch ist wichtig. Wir können geben, wollen auch aufnehmen. Mission ist heute ganz anders: Früher hatten wir weisse Missionare, nun gehen Afrikaner als Missionare nach Europa. Nötig ist der Dialog zwischen beiden Seiten. In dieser Spannung leben wir heute.

Afrikanische Religiosität

Afrika ist so reich, aber die Völker können den Reichtum nicht geniessen, weil die herrschenden Cliquen sich ihn unter den Nagel reissen. Daher haben Afrikaner einen anderen Glauben an Gott entwickelt: Gott ist für uns die letzte Wirklichkeit. Der Glaube an die Politik, die Wirtschaft, die Gesellschaft ist uns abhanden gekommen. Gott bleibt unsere letzte Wirklichkeit; uns blieb nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen. Das ist Glaube.

In Europa, finden wir, ist Glaube dermassen eine Sache des Verstandes geworden, dass er kein Glaube mehr ist. An diesem Punkt haben wir dem Westen etwas zu geben, mit unserer narrativen Theologie, die die Bibel in Geschichten erschliesst. Sie kann auch das kirchliche Leben in Europa verändern.

Freude herrscht

Unsere Gottesdienste sind Feiern, sind Feste. Wir sind mit unserem König zusammen! Wir erleben die Spannung zwischen dem, was Gott schon getan hat und was noch nicht geschehen ist. Wir haben schon Fest – aber noch nicht das grandiose Fest, das uns erwartet. Wir sind sozusagen im Wartsaal. In dieser Stimmung feiern wir Gottesdienste – und sind auch jenen nahe, die in Schwierigkeiten stecken.

Geben und Nehmen

Wenn wir Afrika und Europa vergleichen, wird deutlich, dass die Europäer für Wirtschaft und Wissenschaft Grosses geleistet haben. Sie haben der Welt viel gegeben; wir Afrikaner können da nicht mithalten. Hingegen haben wir Afrikaner dem Westen auf dem Feld von Religion und Spiritualität etwas zu geben.

In Europa hat man das Materielle vergötzt; doch der Materialismus hat die Probleme der Menschen nicht gelöst. Der moderne Mensch ist mit einer komplexen Realität konfrontiert und kehrt um, um wieder nach spirituellen Werten zu suchen. Auf diesem Weg braucht er Leitung. Ich glaube, dass wir Afrikaner da mit unserer Religiosität, die das Feiern einschliesst, einen Beitrag leisten können. Trotz allen Problemen in Afrika sehen Sie uns lachen – denn Gott ist grösser. Wir sehen, wie klein wir sind. Gott in seiner Grösse ist fähig, unsere Probleme zu lösen. Das macht uns froh.»

Eduardo Kiakanua kam im Kongo zur Welt, nachdem seine angolanischen Eltern vor dem Bürgerkrieg geflüchtet waren. Seit 18 Jahren lebt der Theologe und Bibellehrer in der Schweiz. Er leitet «La Vigne», die frankophone Vineyard-Gemeinde in Bern, und trägt Verantwortung für Vineyard Afrika.

Webseite:
Vineyard

Datum: 18.06.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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