Nationalfondsstudie

Glauben, wie es mir nützt und passt

Über die Hälfte der Schweizer Bevölkerung verhält sich distanziert zum Glauben. Das haben Religionssoziologen aus Lausanne und St. Gallen in ihrer Studie zu christlicher Religiosität und Spiritualität in der Schweiz herausgefunden. Diese liegt nun in Buchform vor, wie der Schweizerische Nationalfonds am Montag, 27. Oktober, mitteilt.
Mann studiert die Bibel


Die Religionssoziologen haben in der christlichen religiös-spirituellen Landschaft vier Typen mit unterschiedlichen Glaubensvorstellungen ausgemacht. Der Gruppe der Distanzierten gehört laut der Studie über die Hälfte der Bevölkerung an (57%). Die Institutionellen machen knapp einen Fünftel der Bevölkerung (18%) aus. Die Freikirchen unter ihnen sind am Wachsen, die katholischen und reformierten Kerngemeinden hingegen am Schrumpfen. Die Alternativen (13%) halten sich konstant, den Säkularen (12%) hingegen sagen die Forschenden langfristig ein deutliches Wachstum voraus.

Gott als Freund oder Energie

Die vier Gruppen haben unterschiedliche Gottesvorstellungen. «Während Freikirchliche Gott als übernatürlichen Freund, Herrn und Wunderwirker sehen, erscheint er katholischen und reformierten Institutionellen als Mischung aus Vater-Mutter-Figur und transzendentem Psychoanalytiker. Alternative verstehen Gott meist als eine Licht-Kraft-Energie, während Distanzierte nicht so recht wissen, wie sie sich Gott vorstellen sollen», halten die Forschenden im neuen Buch fest. Die Institutionellen sind praktisch einhellig (zu 99%) der Meinung, Gott interessiere sich für jeden Einzelnen. Das glauben aber nur 2% der Säkularen: Sie denken oft, dass Gott eine reine Illusion sei.

Das «Ich» als Richtschnur des Entscheidens

Überall stellen die Forschenden eine starke Individualisierung fest. Zunehmend entscheidet jeder für sich allein, was er glauben und praktizieren will. Dabei stehen der individuelle Nutzen und die persönliche Befindlichkeit im Vordergrund. Das eigene Ich ist sowohl bei Gläubigen als auch bei Ungläubigen zur zentralen Richtschnur des Entscheidens geworden. Dabei würden die Menschen religiöse und säkulare Angebote nach Leistung und Preis beurteilen. Diese Konsumorientierung hat sich in der Schweiz seit den 1960er-Jahren durchgesetzt, schreiben die Forschenden.

Vor allem bei Reformierten und Katholiken verdrängten säkulare Freizeitbeschäftigungen die religiösen, stellten die Forschenden fest. Das führe zu einem Traditionsabbruch.

Die Studie ist Teil des Nationalen Forschungsprogramms «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft». Verfasst haben sie die fünf Religionssoziologen Jörg Stolz, Judith Könemann, Mallory Schneuwly Purdie, Thomas Englberger und Michael Krüggeler. Sie stützen sich auf einer repräsentativen Umfrage unter 1‘229 Personen, 73 Tiefeninterviews und einer Auswertung vieler weiterer Datenquellen.

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Datum: 28.10.2014
Quelle: Kipa

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