Ägyptens Christen hoffen auf starke Persönlichkeit
Statt am 2. Dezember wird der neue Patriarch nun schon am 4. November gekürt. Für den 18. November ist dann bereits die Amtseinführung des künftigen geistlichen Oberhauptes der rund zwölf Millionen ägyptischen Kopten angesetzt. Der neue Präsident Muhammad Mursi kommt als Ehrengast. Mit seiner Gegenwart bei der Inthronisierung des koptischen Oberhirten scheint also alles in bester Ordnung zu sein.
Der Präsident und die Radikalen
Leider trügt dieser Schein. Zwar gibt sich Mursi Mühe, den ägyptischen Christen seine Achtung zu bekunden und ihnen auch zu garantieren, was das islamische Recht an bescheidener Kultfreiheit Andersgläubigen zugesteht. Er ist aber innerhalb der Muslimbruderschaft als Vertreter des gemässigten Flügels in seinen Möglichkeiten stark eingeschränkt. Mindestens genauso mächtig sind die Radikalen, die einen fast ebenso krassen politischen Islam wie die extremen Salafisten vertreten. Zwar geben sie sich äusserlich modern und tragen statt Kaftan und Turban eine Krawatte und schicke Anzüge. Ihre Gesinnung ist jedoch extrem christen- und judenfeindlich.
Starke Führung gefragt
Die koptische Kirche braucht also schnell wieder eine starke Führung. Senior der Kandidaten ist der Mönch Rafail, ein siebzigjähriger Jurist. Er verspricht einen kollegialen Führungsstil nach dem recht straffen Regiment von Schenudah III.
Genau 60 Jahre zählt Bischof Tawadros aus dem Nildelta, ursprünglich Pharmazeut. Er steht für eine positive Haltung zum Islam und für eine offene ägyptische Gesellschaft aller Konfessionen und Religionen Anders der 1958 geborene koptische Jugendbischof Anba Rafail. Er sieht die Zukunft des koptischen Christentums am Nil in der Jugend- und Sozialarbeit.
Ein Jahr jünger ist der ehemalige Naturwissenschaftler Seraphim, Mönch in einem Wüstenkloster. Nach langem Einsatz in den USA will er sich besonders für die koptische Diaspora einsetzen.
Die letzte Entscheidung trifft das Los
Jüngster unter den Kandidaten ist der 49-jährige Ex-Pädagoge und Mönch Pachomius. Nach längerem Aufenthalt in Italien sieht er im Vatikan das Vorbild für das Patriarchat.
Aus dieser Fünfergruppe werden drei Endkandidaten hervorgehen. Von ihnen wird nächsten Sonntag ein Kind mit verbundenen Augen den neuen Patriarchen erlosen. Bis dahin werden die koptischen orthodoxen Christen fasten und beten – darin unterstützt auch von den Angehörigen der koptisch-evangelischen Kirche.
Datum: 29.10.2012
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet