Neue Religionspolitik lässt die Christen im Sudan hoffen
Dieser ersten Grundsatzerklärung liess der muslimische Geistliche Ende November mehr Details seiner Pläne folgen. Wie das «Sudan Daily» vom 27. November berichtet, hat Mufreh bei einer Freitagspredigt in der Grossen Moschee von Khartum «Toleranz und Koexistenz» zu künftigen Grundlagen des Verhältnisses von Islam und Kirchen in Sudan erklärt.
«Gute islamische Tradition»
Damit wolle er eine der wichtigsten, nach der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft 1956 versäumten Aufgaben angehen. Er stehe auf dem Boden der «guten islamischen Tradition», alle Monotheisten als Teilhaber an der einen, durch Mohammed vollendeten göttlichen Offenbarung zu achten und anzuerkennen. Diese Sicht ist in der Idee von einem «Himmelsbuch» ausgedrückt, in dem vor allem der Koran, aber auch die Bibel gründen.
Religionsfreiheit mit Missionsverbot
Diese Auffassung steht im Gegensatz zu der heute vorherrschenden islamischen Praxis, Christen und Juden als Ungläubige zu verfolgen oder – wie in Saudi-Arabien – ganz zu verbieten. Diese irrige Meinung habe auch die Religionspolitik von Diktator Omar al-Baschir bestimmt, sei aber im Geist einer recht verstandenen Botschaft Mohammeds als «religiöser Extremismus» abzulehnen. Allerdings bedeutet diese christenfreundlichste Auslegung der Scharia keine volle Religionsfreiheit, da sie die Bekehrung vom Islam zu Jesus verbietet und damit jede gezielte Mission als illegal bestraft.
Kirchen sollen zurückgegeben werden
In den letzten Jahren des Baschir-Regimes waren nicht nur zahlreiche Christen verhaftet, sondern vor allem kirchliche Gebäude vom Staat beschlagnahmt worden. Ihre Rückgabe sei – so Mufreh – bereits eingeleitet, doch müssten die dafür nötigen rechtlichen Prozeduren eingehalten werden. Nach einem ersten Verfahren wurden im Oktober schon 19 Kirchen an den «Sudanesischen Evangelischen Kirchenbund» zurückerstattet.
In diesem Zusammenhang beruhigte Mufreh auch wegen der neuesten Wiederaufnahme eines Prozesses gegen den Präsidenten und sieben führende Leiter des Kirchenbundes, die noch unter Baschir wegen «illegaler Baulichkeiten» angeklagt wurden. Es gehe nur darum, dieses Verfahren endgültig abzuschliessen und aus der Welt zu schaffen.
Religionsfreiheit auch für Juden
Religionsminister Mufreh sichert auch den Juden wieder legale Religionsausübung zu. Die meisten von von ihnen hatten Sudan nach Israels Sieben-Tage-Krieg mit den Arabern von 1967 verlassen. Die kleine Kuppelsynagoge von Khartum ist seitdem gesperrt und mit Stacheldraht abgeriegelt, der vor sich hinrostet. Schon 1975 hatte der damalige Präsident Numeiri alle Juden aufgefordert, aus Palästina nach Sudan zu kommen. Diesen hatten frühe Zionisten vor dem heutigen Israel als «Heimland» ins Auge gefasst. Damals wie heute dürften sich aber kaum Juden finden, die ausgerechnet Sudan als ihr neues Gelobtes Land erkennen.
Der Hintergrund
Seit der Ankündigung einer neuen Religionspolitik, welche die seit 8. September amtierende demokratische Übergangsregierung angekündigt hat, schöpften die eine Million zählenden Christen des afrikanischen Landes konkrete Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Ein Vierteljahrhundert lang waren die christlichen Sudanesen neben nationalen und regionalen Minderheiten Hauptleidtragende des politislamischen Regimes von Diktator Omar al-Baschir. Nach dessen Sturz im vergangenen April war lange unklar, ob der politische Wandel in Khartum auch mehr Religionsfreiheit für die Nicht-Muslime mit sich bringen würde.
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Datum: 28.11.2019
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet