«Der Herr hat uns aus schlimmster Not befreit»
Im Sudan steht im August dessen politislamischer Langzeitdiktator Omar al-Baschir endlich auch wegen seiner Menschenrechtsverletzungen vor Gericht. Allzu lang nach seinem Sturz im April 2019 durch eine Militärjunta, die dann im Sommer vor einem Jahr durch den «Marsch der Millionen» in der Hauptstadt Khartum zu echter Demokratisierung gezwungen wurde. Baschir war aber zunächst nur wegen Korruption angeklagt. Seine Auslieferung an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der ihn schon längst mit einem Haftbefehl verfolgte, blieb völlig im Ungewissen.
Verfolgung unter Scheinlegalität
Jetzt muss sich Omar al-Baschir wenigstens vor sudanesischen Richtern für die Gräuel unter seiner 30-jährigen Herrschaft verantworten: An nationalen Minderheiten im schwarzen Süden, der erst 2011 ein eigener Staat wurde, an politischen Gegnern und an den sudanesischen Christen. Sie wurden misshandelt, oft sogar getötet, ihrer Kirchengebäude und ihrer geistlichen Führer beraubt. Oft verschwanden sie für Jahre in Baschirs Kerkern. All das hatte formell seine gesetzliche Grundlage, das islamische Religionsgesetz Scharia und ein noch rigoroseres Gewohnheitsrecht.
Mit beiden versuchte sich Baschirs «kleptokratisches» Militärregime nach innen und aussen zu legitimieren. Mitte Juli wurden zunächst einmal ihre strafrechtlichen Bestimmungen von Justizminister Nasser ed-Din Abdul Barri ausser Kraft gesetzt, was inzwischen schon mit den ersten Anwendungen schmerzlichen Druck von Sudans Christen nimmt: Mit Einstellung ihrer öffentlichen Auspeitschungen, mit der Aufhebung der Todesstrafe für das Bekenntnis von Muslimas und Muslimen zu Jesus, dem Verbot der Beschneidung von islamischen und christlichen Mädchen und einer Lockerung des allgemeinen Alkoholverbots.
Abendmahlsfeiern waren wegen Alkoholverbot gefährlich
Nicht dass Christinnen und Christen heimlich dem üblichen Dattelwein oder dem unter Baschir weitergebrauten, aber nur mehr exportierten «Zwei-Kamele-Bier» zugesprochen hätten. Dem Regime ging es um die Bekämpfung des christlichen Abendmahls unter den Gestalten von Brot und Wein. Lang ist die Liste der Pastoren, die wegen seiner Feier mit Peitschen aus Nilpferdhaut blutig geschlagen wurden. Als manche Pfarrer auf eine Art Traubenmost auswichen, wurde alles «Vergorene» für verboten erklärt.
Mädchenbeschneidung jetzt verboten
Die Mädchenbeschneidung wird von der Religion Mohammeds eigentlich nicht vorgeschrieben, aber im Sudan als Mittel zur «Bewahrung edler islamischer Frauenwürde» praktiziert und sogar Christinnen aufgedrängt. Schätzungsweise wurden bisher neun von zehn Mädchen verschnitten. Nun hat endlich der Souveräne Rat des Sudan das Verbot der Genitalverstümmelung bei Frauen ratifiziert. Wer diesen Eingriff vornimmt, wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Verantwortlichen Krankenhäusern und anderen Einrichtungen droht die Schliessung.
Verboten ist nun auch die Praxis des «Takfir», der Selbstjustiz an einem wirklich oder angeblich von Allah zu Jesus abgefallenen Familienmitglied oder Mitbürger. Die bisher zu Religionswechsel im Sudan geltenden Bestimmungen hatten 2014 weltweite Entrüstung ausgelöst, als Mariam Yehya Ibrahim Ishag zum Tod verurteilt wurde. Die damals 28-jährige und schwangere Ärztin war von ihrer Mutter im christlichen Glauben erzogen worden und wollte nicht der Religion ihres muslimischen Vaters folgen, Erst nach internationalen Protesten wurde sie aus dem Gefängnis entlassen und durfte ausreisen.
Finanzhilfe mit Bedingungen machte es möglich
Regierungschef Abdallah Hamdok musste zur Durchsetzung dieser Reform allerdings einige seiner Minister, den Polizeichef und dessen Vize austauschen. Nur so konnte gewährleistet werden, dass Sudans «Christenbefreiung» sich bis zum letzten Dorfrichter, dem «Kadi», durchsetzt. Hilfreich war natürlich die Auflage der Sudan-Konferenz von EU und UNO Ende Juni in Berlin, die zwei Milliarden Franken Finanzhilfe an diese Reformen knüpfte. Die machten auch den letzten Vertreter des alten Regimes im neuen Souveränitätsrat mundtot, Baschirs Milizenboss Muhammad Hamdan Daglo.
Dieser so genannte «Hemeti» hat allerdings inzwischen seine eigentliche Machtbasis verloren: Die vor Jahren im Bürgerkrieg der sudanesischen Westprovinz Darfur so mörderischen Kamelreiter «Dschandschawid», die «Gespenster». Sie sind vom Sudan nach Libyen an den dortigen Kriegsherrn General Haftar «ausgeliehen» worden. Pastor Hassan Abdul Rahim, Generalsekretär der «Sudan Church of Christ», selbst unter Omar al-Baschir zwei Jahre von 2015 bis 2017 in Einzelhaft und ohne jeden medizinischen Beistand, ist jetzt endgültig zuversichtlich: «Der Herr hat uns aus schlimmster Not befreit. Dank sei Jesus!»
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Datum: 19.08.2020
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet