Viele Christen unter den Opfern von Palma
Im durch Dschihadisten belagerten, ausgehungerten Hotel Amarula war zum Schluss jeder Tropfen Wasser knapp. Verzweifelt setzten die Eingeschlossenen mit Frauen und Kindern ihr Leben aufs Spiel, um den Hafen und seine rettenden Boote zu erreichen. Viele wurden unterwegs erschossen, oft sogar enthauptet. Wenige erreichten die rettende Küste.
Die Ursache: Öl vor der Küste
Ähnliche Szenen hatte Palma schon zweimal erlebt: Im Befreiungskampf von der portugiesischen Kolonialherrschaft bis zur Unabhängigkeit von 1975 – darauf nochmals im mosambikanischen Bürgerkrieg, der sich bis 1992 hinzog. Dann aber herrschte schläfrige Ruhe in dem Städtchen, bis 2019 französische und US-Petrokonzerne bei der Halbinsel Afungi fündig wurden. Unter den Facharbeitern, die nun nach Palma strömten, waren viele Christen aus der südafrikanischen Nachbarschaft. Doch dann kam die Landplage der Dschihadisten. So weit waren sie bislang nie gekommen.
Mosambik bislang kein Nährboden für Islamistengewalt
Mosambik ist eigentlich kein Nährboden für gewalttägige Muslimbanden. Der Islam war zwar schon vor der christlichen Mission an Afrikas südliche Ostküste gekommen. Mit den Handelshäfen der Suaheli-Kultur, die sich von Oman auf der Arabischen Halbinsel bis nach einer vom Kaufmann und Korangelehrten Musa Mbiki beherrschten Insel hinunterzog. Er gab dem späteren Mosambik seinen Namen. Die Suaheli-Sultanate Maskat und Zanzibar bekannten sich aber zum Ibadismus, der maximal tolerantesten Richtung des Islam. Doch auch sie blieb zuletzt nicht gegen den Terror gefeit.
Eine islamistisch radikalisierte Generation
Im nach Landschaften und gesellschaftlich zerfallenen Somalia wuchs eine junge Generation heran, die nur Kampf und Gewalt kannte. Diese «Schabab» (arabisch: Jugend) trugen ihren Schrecken bald nach Kenya und Uganda hinein und bis nach Tansania hinunter. Mit einem Stück von dessen Suaheli-Küste waren nach dem Ersten Weltkrieg die Portugiesen für ihren Kampf gegen das alte Deutsch-Ostafrika belohnt worden. Dort fanden die Schabab ihnen vertrauten ibaditischen Boden. 2019 kamen sie zum ersten Mal aus Tansania herüber, letzten Sommer bis zur Stadt Mocímboa da Praia.
Beim jetzigen Überfall auf die junge Erdgasregion von Palma glaubten die Schabab auf besondere Feinde des Islam zu stossen, schwarze «Zionisten»: Gläubige der «Zion Christian Church». Sie lockte der jüngste Petroboom genauso in den Norden von Mosambik, wie schon ihre Vorfahren aus dessen Süden von den Minen Südafrikas angezogen wurden. Dort hatten sie eine Denomination kennengelernt, die traditionell afrikanischen Geisterglauben mit Elementen christlicher Lehre und pfingstkirchlich scheinendem Charisma verband. Etwa 19 Prozent der heute an die 50 Millionen Einwohner gehört einer solchen Zionskirche an.
Heiliger Geist und Geisterwelt
Sie haben aber nichts mit dem evangelikalen Anliegen einer christlichen Unterstützung des jüdischen Zionismus zu tun. Schabab kümmerte sich nicht um diesen trotz der Namensgleichheit grossen Unterschied: Ihre Macheten schlugen in Palma unter den bis nach Ostern insgesamt 2'500 Todesopfern wahllos Köpfe ab. Diesen schrecklichen Tod erlitten auch Pfingstchristen, die in Mosambik schon rund sechs Millionen stark sind, weiter wachsen und klare Grenzen zwischen dem heiligen Geist und der Geisterwelt des afrikanischen Animismus ziehen.
«Das Mademonio ist aus dem Urwald hervorgebrochen», sagt im Auffangzentrum von Pemba der Pipeline-Monteur Edward Makuti. Mit diesem Ausdruck aus der Geisterlehre seiner Zions-«Kirche» schildert der Überlebende des Massakers von Palma den dämonischen Eindruck, den die wilden, gnadenlosen Dschihadisten bei ihm und anderen Flüchtlingen hinterlassen haben, nämlich dass sie damit die eigene Schuld oder die ihrer Ahnen zahlen müssten. Mit Edward Makuti ist nun ein echter Pfingstpastor am Werk, diesem Irrglauben der Auslieferung an Dämonen entgegenzutreten: «Jesus und sein Geist besiegen alle bösen Geister!»
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Datum: 09.04.2021
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet