«Trump-Wähler sind nicht Trump»
«Heute Nacht sind die Karten neu gemischt worden. Politische Realitäten wurden über den Haufen geworfen. Amerika nimmt eine neue Richtung – und, ob sie es wollen oder nicht, die Evangelikalen waren ein grosser Teil dieser Wirklichkeit», schreibt Ed Stetzer in «Christianity Today».
Weisse Evangelikale hatten zu 81 Prozent für Trump gestimmt, und viele folgten nicht ihren Leitern, die sie vor Trump warnten. Dazu Ed Stetzer: «Diese Evangelikalen – und viele Amerikaner darüber hinaus – waren zornig genug, für einen erstaunlich unpopulären Kandidaten zu stimmen, der Veränderung versprach… Jetzt ist die Welt wütend, und viel Zorn richtet sich gegen die evangelikalen Trump-Wähler. Aber wir müssen daran denken, dass die Trump-Wähler nicht Trump sind…. Die, die ich kenne, hassen keine Immigranten (obwohl sie wissen, dass illegale Einwanderung ein wirtschaftliches und rechtliches Problem ist); sie glauben, dass eine multikulturelle Gesellschaft gut ist (auch wenn ihnen die politisch korrekte Sprache zum Hals heraushängt), und sie wollen wirklich das Beste für unser Land (auch wenn wir uns nicht einig sind, was das ist).
Trotzdem haben sie Trump unterstützt…. Es ist einfach, zu sagen, dass sie ihn wählten, weil sie Frauen oder Minderheiten hassen, aber das ist eine faule und oberflächliche Analyse, unfair für viele. Die meisten sind nicht so. Viele haben Trump gewählt wegen dem, was sie glauben.»
Jetzt zusammenstehen – trotz verschiedener Meinungen
«Diese Wahl war eine der gespaltensten, die dieses Land je gesehen hat», kommentiert Fox News. Und hält fest, wie christliche Leiter jetzt betonen, wie wichtig Einheit in Verschiedenheit ist. «Im Leib Christi ist Raum für verschiedene Meinungen. Wir sind uns dauernd uneinig. Aber wir sind Menschen der Vergebung. Wir müssen fähig sein, vergebend verschiedener Meinung zu sein. Wir haben die Botschaft der Erlösung und Versöhnung – darum müssen wir jetzt unter der realen Autorität von Jesus zusammenhalten», sagt der CBN-Seelsorger Joel Palser.
Rick Warren: Grund zur Hoffnung nach der Wahl
«Gott wird Amerika nicht verlassen», ist Saddleback-Pastor Rick Warren überzeugt. Gründe zur Hoffnung sind unter anderem die Tatsache, dass der Glaube blüht, wenn die Menschen desillusioniert und die Zeiten schwierig sind. Die Millenials stellten weiter die richtigen Fragen über das Leben. Und die Welt als Ganzes werde religiöser, nicht ungläubiger. Vor allem aber hält Warren mit Blick auf die Bibel, 2. Chronik, Kapitel 7, Vers 14 fest: «Gott hört Gebete, wenn wir uns demütigen.»
«Konservative Evangelikale sind politisch heimatlos»
In der «Washington Post» ermahnt Russell Moore, Präsident der Kommission für Ethik und religiöse Freiheit der Südlichen Baptisten, Christen – gerade weil die Kampagne demoralisierend und traumatisierend für viele war –, für den neuen Präsidenten zu beten, dass es ihm gelingt, das Land mit Weisheit und Gerechtigkeit zu führen.
Moore analysiert, dass die Art von Konservativismus, auf den viele gehofft hätten – multiethnisch, konstitutionell verankert und vorwärtsschauend – durch etwas anderes ersetzt worden sei. Stattdessen gebe es nun einen ethno-nationalistischen Populismus, fast wie in Europa, begleitet von einer zunehmend linken progressiven Entwicklung bei den Demokraten. Die politische Schere tut sich auf, und in beiden Bewegungen würden moralische Kriterien wie persönlicher Charakter und stabile Familien marginalisiert. Eine Politik der sexuellen Revolution herrsche quer durch die Landschaft vor. Und das bedeute, dass konservative Evangelikale politisch heimatlos sind, ob sie es wissen oder nicht.
Trotzdem – oder gerade deswegen – müssten Christen die prophetische Klarheit behalten, alles, was ungerecht, falsch und gegen Christus sei, zur Busse zu rufen, sei es die Abtreibungs-, die Scheidungs- oder die Rassismus-Kultur. Kirchen sollten aber auch Orte der Versöhnung und des Reiches Gottes sein. «Der Leib Christi ist weiss und schwarz und Latino und asiatisch, Mann und Frau, arm und reich. Unser Haupt spricht aramäisch und ist aus dem Nahen Osten.» Darum «geht alles, was spanischsprechende und asiatische Christen betrifft, auch die weissen Christen an. Und die Armut und soziale Unruhe der weissen Arbeiterklasse sollte auch schwarze, hispanische und asiatische Christen beschäftigen. Wir gehören zueinander, weil wir zu Christus gehören.» Dann tritt er einen Schritt zurück und hält fest: «Wir sind nicht zuerst Republikaner oder Demokraten, konservativ oder progressiv. Wir sind nicht einmal zuerst Amerikaner. Wir sind die Kirche des auferstandenen und triumphierenden Jesus Christus. Darum ist diese Wahl zwar wichtig für unser Land, aber nicht eine Katastrophe für den Kosmos.»
Mit reinem Tisch anfangen
Die Online-Zeitung «Huffington Post» hat beschlossen, ihre beispiellosen Chefredaktoren-Kommentare zu beenden, die bisher am Ende eines jeden Artikels über Trump angehängt wurden und ihn Rassisten, Frauenhasser und mehr nannten. Die Zeitung erklärte: «Jetzt ist er Präsident und wir werden mit einem reinen Tisch anfangen. Wenn er auf rassistische Weise oder als Frauenverächter regiert, behalten wir uns das Recht vor, darauf wieder hinzuweisen. Das verlangt schon der Respekt vor dem Präsidentenamt, den Trump und seine Unterstützer bisher noch nicht gezeigt haben.»
«Wenn Huffington Post von einem reinen Tisch spricht», fragt Ed Stetzer in «Christianity Today» schliesslich, «sollten Evangelikale nicht dasselbe tun?»
Zur Webseite:
Stellungnahme von Russell Moore: Die Kirche und der Präsident Donald Trump
Zum Thema:
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Kommentar aus den USA: Trump und die Evangelikalen auf Schmusekurs
Datum: 10.11.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christianity Today / CBN News / Charisma News