Schluss mit griechischer Jagd auf Evangelische?
In der Pfingstgemeinde im heruntergekommenen Viertel hinter dem Athener Fischmarkt herrscht in diesem Frühjahr Aufbruchstimmung. Vorbei scheinen die allzu langen Zeiten, da der Weg zu Jesus durch schmutzige Passage in stickigen Hinterhof führte. In einer ehemaligen Werkhalle für Hosenknöpfe fanden die Versammlungen statt. Zwar versank diese ganze Umgebung, sobald die Betenden, Singenden und Tanzenden vom Geist erfüllt wurden. Umso härter fiel dann immer die Rückkehr zur Alltagsrealität aus. Erst jetzt verspricht die anstehende Verfasssungsreform allen evangelischen Christen Abhilfe, aus ihrem Dasein im religiösen Untergrund ans Licht zu treten.
Wie unter dem Islam
Alle griechischen Grundgesetze der letzten zwei Jahrhunderte hatten denselben verhängnisvollen Artikel 2: Die orthodoxe Kirche war Griechenlands «vorherrschende» Religion. Sie trat einfach an die dominierende Stelle, die vorher unter den Osmanen dem Islam vorbehalten war. Genau nach dem muslimischen Religionsrecht fielen auch die praktischen Einschränkungen aus, denen alle Nicht-Orthodoxen unterworfen wurden: Verbot jedes «Prosyletismus», d.h. der freien Verkündigung von Jesus und Zwang zu unauffälliger Hintertreppenpräsenz.
Ausnahmen nur aus Staatsraison
Sogar von ihrer Strassenfassade her unkenntliche Hauskirchen waren aber an die Genehmigung des nächstliegenden orthodoxen Bischofs gebunden. Ebenso das Abhalten von Gottesdiensten. Ausnahmen wurden nur dann und wann aus Gründen der Staatsraison gemacht: So durften die Katholiken Griechenlands erstem Bayernkönig Otto von Wittelsbach zuliebe eine Prachtkathedrale an der Athener Hauptstrasse Panepistimiou errichten. Der Deutschen Evangelischen Kirche in Botschaftsnähe wurde sogar ein Glockenturm bewilligt. Doch noch die frühere deutsche Pfarrerin in Thessaloniki kam zweimal vor den Richter, weil sie ohne bischöflich-orthodoxe Bewilligung das Abendmahl gefeiert hatte.
Evangelikale: «Unbekannte» Religion
Diese ohnedies stark eingeschränkte Kultfreiheit wurde aber nur «bekannten» Kirchen und Gemeinschaften gewährt. Als solche galten Katholiken, Lutheraner und Reformierte. Schon Baptisten und Methodisten hatten immer wieder Schwierigkeiten, sich als «bekannt» registrieren zu lassen. Evangelikale waren durch die Bank der Willkür von Griechenlands staatlichen und kirchlich-orthodoxen Behörden ausgeliefert. Erst der Zusammenschluss zu stärkeren Interessenvertretungen wie der «Evangelischen Allianz» oder der «Gemeinschaft Evangelischer Freikirchen Griechenlands» (KEEE) bot ihnen besseren Rückhalt.
Relikte des Klerikal-Faschismus
Diese Geburtsfehler des modernen Griechenland für seine evangelische Bevölkerung verschärften während des Herrschaft eines orthodoxen Klerikal-Faschismus im Athen der 1930er Jahre weitere Notverordnungen des Dikators Ioannis Metaxas zusätzlich. Diese z.B. täuferische Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen diskriminierenden Satzungen wurden auch nicht abgeschafft oder wenigstens abgemildert, seit das Land 1981 in die EU Aufnahme fand.
Grossreinemachen der heutigen Linksregierung
Erst die säkulare Linksregierung von Alexis Tsipras macht sich seit 2015 ans Grossreinemachen der mittelalterlichen Relikte im griechischen Religionsrecht. Ihre Verfassungsreform hat schon das Parlament passiert, wartet aber noch auf Bestätigung bei den im Herbst bevorstehenden Neuwahlen. Dann verliert die Orthodoxie ihren privilegierten Status, können andere und besonders evangelische Christen Jesus endlich frei verkünden und ihre Kirchen bauen, wo und wie sie wollen. Ein Wahlsieg der nationalreligiösen, d.h. politisch-orthodoxen Opposition würde das allerdings aber zunichte machen.
Bitte um Gebetshilfe
Davor bangt auch Sotiris Sakellaris (Name geändert) am Athener KEEE-Zentrum in der versteckten Alkiviadou-Gasse: «Da bitten wir unsere Glaubensgeschwister in der Schweiz um himmelstürmendes Gebet.» Er erinnert daran, dass es Schweizer «Offenen Brüder» waren, denen die erste Freie Evangelische Gemeinde in Patras ihr Entstehen verdankte. «Zögert nicht, für die Stärkung des selbst glaubenslosen Premiers Tsipras zu beten. Gott bedient sich oft auch krummer Werkzeuge.»
Noch nicht alles gewonnen
Doch für die evangelische Sache in Griechenland ist selbst mit Inkrafttreten der Tsipras- Verfassung noch nicht alles gewonnen. Diese würde erst recht die Feindseligkeit des orthodoxen Klerus und breitester Volksschichten gegen alles «Nicht-Angestammte» vergrössern. Solche Gesinnung sei – so Sotiris – schon immer dafür verantwortlich, dass alle Ansätze zu evangelischer Gesamtreform der griechischen oder auch bulgarischen Orthodoxie fehlgeschlagen sind: «Es wird also auch im Glücksfall des vom neuen Grundgesetz angebotenen Freiraums erst recht unsere Sendung bleiben, Menschen an der Basis für Jesus zu bekehren.»
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Datum: 08.05.2019
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet