Herausfordernd

Europas Migranten als Aufgabe für Kirchen

Die Schweiz hat sich zum beliebtesten Einwanderungsland für Deutsche gemausert; die britischen Inseln haben seit 2004 gegen eine Million Polen angezogen. Europas Migrantenströme fordern die Kirchen heraus.
Worship mit anderem Sound…
Südliche Begeisterung
Candy Tang aus China benennt die kulturellen Differenzen.
Wer sich müht, wird bereichert: An einer Tagung von Migrantenkirchen, Ende 2005.
Viele Kulturen, ein Evangelium: Christen gehören über alle Grenzen zusammen.

Im Zeitalter der Globalisierung wird global um gut ausgebildete Fachkräfte und Akademiker geworben. Während attraktive Regionen in Europa Arbeitskräfte anziehen, erleben osteuropäische Länder einen bedrohlichen ‚Brain drain‘. Die Abwanderung von Akademikern, Fachkräften und strebsamen, unternehmerisch denkenden Menschen verdüstert ihre Entwicklungsaussichten; die immer noch sehr hohe Abtreibungsrate verschärft die Problematik noch.

Verlorene Söhne

„Polen sorgt sich um seine verlorenen Söhne“. Unter diesem Titel schildert die Neue Zürcher Zeitung den Stimmungswandel in Polen, wo man die oft hochqualifizierten Auswanderer zunehmend vermisst. Grossbritannien und Irland schotteten ihre Arbeitsmärkte bei der EU-Osterweiterung nicht ab wie die Staaten auf dem Kontinent. Nun arbeiten auf Londons Baustellen viele polnische Akademiker – der Lohn ist es ihnen wert. Dass Hunderttausende ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben, hat laut der Zeitung „tiefgreifende Konsequenzen für das sozio-ökonomische Gefüge“. Wie werden künftig die Renten finanziert? Bereits bekunden Unternehmen Mühe, in Grossstädten gut ausgebildete Fachkräfte zu finden. Deutlich höhere Löhne sind die Folge. Müssen Ukrainer und Chinesen ins Land gelassen werden?

Freizügigkeit

Die Schweiz kann sich dem wirtschaftlichen Zusammenwachsen Europas nicht verschliessen. Seit dem 1. Juni 2007 dürfen aus den 15 alten EU-Staaten, von Zypern und Malta sowie den EFTA-Staaten Arbeitnehmer unbegrenzt in die Schweiz umziehen und hier Stellen annehmen. Der freie Personenverkehr (auf Probe eingeführt; die Eidgenossenschaft könnte noch Höchstzahlen verfügen) zeitigt zwischen Bodensee und Alpen eine spürbar stärkere Zuwanderung von Deutschen, was in der Bevölkerung zu reden gibt. Im Bündnerland werden inzwischen 40 Prozent der Pfarrstellen von Deutschen versehen.

Zürcher Initiative

Davon abgesehen, sind die Kirchen in Westeuropa herausgefordert, sich der Migranten anzunehmen. Wenn Osteuropäer in Massen kommen – wie Polen über den Kanal oder Rumänier nach Italien und Spanien – bilden sie eigene Gemeinden. Südlich von Alpen und Pyrenäen verändert sich die evangelische Landschaft merklich. In unseren Breitengraden ist noch wenig spürbar. Die reformierten Kirchgemeinden in der Stadt Zürich haben mit landeskirchlichen Stellen ein Konzept erarbeitet und ein Zentrum für Migrationskirchen eingerichtet. Sie konzentrieren sich auf evangelische Migrationskirchen, alteingesessene wie auch junge, unangepasste (vor allem afrikanische).

Diese, so das Konzept, „verändern die kirchliche Landschaft der Schweiz und fordern die Landeskirche heraus, sich dieser neuen vielsprachigen und multikulturellen Realität zu öffnen und neue Modelle der Integration und der verbindlichen Zusammenarbeit zu schaffen.» Die Zürcher Reformierten plädiert dafür, «den Migrationskirchen nicht nur unter dem diakonischen, sondern auch unter dem ökumenischen Aspekt zu begegnen und (...) sie als Schwesterkirchen ernst zu nehmen.»

Voneinander wissen – miteinander feiern

Die Landeskirchen, aber auch Freikirchen (die international teils stark, teils gar nicht vernetzt sind) könnten sich von von der Arbeitsgemeinschaft für interkulturelle Zusammenarbeit (AGIK) inspirieren lassen. Die AGIK dient der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA als Kompetenzzentrum für Integrations- und Migrationsfragen sowie interkulturelle Belange. Ihre viersprachige Homepage bietet neben vielem anderem (inklusive Link zum Bundesamt für Migration) Adressen von christlichen Gemeinden und Hauszellen, in denen Gottesdienst oder Bibellese fremdsprachig stattfindet. Sie will einheimische und zugewanderte Christinnen und Christen zusammenbringen – sie dürfen erleben, dass sie über kulturelle Unterschiede hinweg in Christus eine Gemeinschaft bilden. Wenn Europa durch die Migration wirtschaftliche Impulse erhält, sind auch geistliche Anstösse hier und da denkbar.

Links zum Thema:
Mehr zu den Zürcher reformierten Bemühungen für Migrationskirchen
Homepage der AGIK

Datum: 30.11.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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