Wie christlich ist Europa?

Auf der Suche nach den geistigen Ursprüngen

Wie christlich ist Europa? Wie soll sich die Schweiz im Blick auf die Europäische Union positionieren? Was können Christen dazu leisten? Fragen, denen sich das christliche Magazin INSIST gestellt hat. 
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Thomas Hanimann
Dorothea Gebauer
Leipziger Theologieprofessor Peter Zimmerling

Die Europäische Union – sie wird oft mit dem gesamten europäischen Kontinent gleichgesetzt – befindet sich in einer Identitätskrise. Die Idee eines friedlichen, wirtschaftlich prosperierenden und die Menschenrechte schützenden Bündnisses ist verblasst. Deutlicher sind heute die Probleme und Konflikte sichtbar. Für die Schweiz scheint klar, dass ein Beitritt zur EU auf lange Sicht kein Thema ist.

Ein christliches Europa?

Dennoch lohnt es sich, die Frage zu stellen, was Europa prägt und wohin die Reise gehen könnte. Das christliche Magazin INSIST hat sich mit mehreren Artikel mit den Themen auseinandergesetzt. So mit der Frage «Gibt es ein christliches Erbe Europas?» Ja und nein, sagt dazu der Historiker Thomas Hanimann. Denn Europa sei in der Vergangenheit ein zersplitterter und oft zerstrittener Kontinent gewesen. Doch es habe darin auch erstaunliche Züge von Einigkeit und Zusammengehörigkeit gegeben. Das Christentum habe dabei eine zentrale Rolle gespielt, wenn auch oft als Machtfaktor.

Säkularisierte christliche Werte

Vorsichtig ist auch die Basler Professorin für Europarecht, die Methodistin Christa Tobler, wenn es um das christliche Erbe Europas geht: «Heute kann man sicher nicht mehr sagen, dass Europa insgesamt noch eine christliche Werteauffassung hat», so Tobler. Sie sagt aber auch: «Wir haben in den Menschenrechten und in der Rechtsstaatlichkeit viele Werte, die sich weithin mit christlichen Werten decken. Aber sie sind nicht als christliche Werte definiert.»

Als Juristin sei sie aber zum Schluss gekommen, dass zum Beispiel das aktuelle schweizerische und europäische (Anti-)Diskriminierungsrecht auf christlichen Wurzeln beruhe. «Denn es fordert den Respekt für andere, unterschiedlich geprägte Menschen.» Allerdings seien Europa und die Schweiz eine sehr säkulare Gesellschaft geworden.

Die Menschenwürde im Zentrum

Die Journalistin Dorothea Gebauer verweist auf Artikel 2 im Vertrag über die Europäische Union, wo es heisst: «Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, einschliesslich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.» Diese Werte würden zudem durch eine Charta der Grundrechte gestützt. Sie verweist auf die Bewegung «Miteinander für Europa», in der sich evangelische, katholische und auch freikirchliche Kreise zusammenfinden, und die bei ihrem letzten Treffen die Forderung aufstellte: «Es sind die Kirchen, die Europa wieder zusammenführen müssen.» Denn Europa sei nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern eine Union, in deren Zentrum die Menschenwürde stehe.

Wie Christen die Einheit Europas leben könnten

Sie zitiert dazu auch den Leipziger Theologieprofessor Peter Zimmerling mit den Worten: «Christen haben die Möglichkeit, demokratische gesellschaftliche Veränderungsprozesse und damit auch das Zusammenwachsen Europas als Impulsgeber zu beeinflussen.» Er kann sich eine übernationale Vernetzung vorstellen, in der Christen vorleben, «dass der christliche Glaube ein Band darstellt, das die Feindschaft, ja selbst die Fremdheit von Menschen unterschiedlicher Nationalität mildert und versöhnt.»

Spontane Solidaritätsbereitschaft

Hier könnten auch die Schweizer Christen einen Beitrag leisten. Der Leiter des ChristNet-Netzwerks, Samuel Ninck, äussert dazu eine konkrete Idee: Er empfiehlt, Begegnungen zu schaffen, beispielsweise einen europäischen Zivildienst, den Jugendliche im Ausland absolvieren müssen. «Am besten wäre eine Verantwortung von unten nach oben», meint er. «Die politischen Gemeinden sollte man so miteinander vernetzen, dass eine spontane Solidaritätsbereitschaft entsteht.»

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Datum: 24.04.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / Magazin INSIST

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