Bern: Haus der Religionen wird eröffnet
Am Anfang war eine Studie zur Stadtentwicklung. Wolle man verhindern, dass Berns zugewanderte kulturelle und religiöse Minderheiten nicht weiter marginalisiert würden, brauche es einen Platz, wo sich diese Minderheiten integrieren könnten, um gleichberechtigt und öffentlich in der Gesellschaft gegenwärtig zu sein. Heraus aus den Hinterhöfen, alten Fabriken oder Garagen: Ein «Haus der Religionen» mit Kultus- und Dialogräumen sei ein solcher Platz, schlug Planer Christian Jaquet vor. Das war 1998.
Herrnhuter als treibende Kraft
Den Gedanken nahm der damals bereits bestehende «Runde Tisch der Religionen» zusammen mit der Herrnhuter Brüdergemeine auf. Die Herrnhuter schickten im Jahr 2000 ihren Pfarrer Hartmut Haas zusammen mit seiner Familie nach Bern; Haas verfügte bereits über vielfältige interreligiöse Erfahrungen. Mit ihm konnte das Projekt starten. «Ohne den visionären Elan und das gewaltige finanzielle Start-Engagement der Herrnhuter würden wir heute nicht hier sein», sagte Guido Albisetti, Präsident der Stiftung Europaplatz – Haus der Religionen, am Donnerstag, 11. Dezember, vor den Medien.
10 Millionen Franken gesammelt
Schwierig war der Start. Denn es musste Geld, viel Geld, zusammenkommen, um das Haus der Religionen auch wirklich bauen zu können. Das Ergebnis der ersten Finanzaktion war vernichtend. 150 Finanzierungsgesuche seien mit 150 Absagen beantwortet worden, erzählte Albisetti. Schmerzlich seien dabei nicht die Absagen an sich, sondern die Zwischentöne in den Absagebriefen gewesen: «Wir waren Fantasten, Utopisten, Gutmenschen fernab jeder Realität». Allmählich kamen dann Absichtserklärungen, Spendenzusagen, schliesslich Einzahlungen von Privaten und Stiftungen sowie die Unterstützung von Stadt und Kanton Bern und der Kirchen. Ende 2012, einige Monate nach Baubeginn, waren dann die erforderlichen 10 Millionen Franken beisammen.
Entwickelt wurde ein Projekt, das einerseits mit dem Haus der Religionen den Dialog der Kulturen ermöglichte und andererseits kommerzielle Nutzungen vereinte. Für insgesamt 75 Millionen Franken entstand so ab Sommer 2012 ein Bau mit Mischnutzung: Neben dem Haus der Religionen sind im «Zentrum Europaplatz» etwa die Detailhändler Coop und Denner ebenso zu finden wie Büros und 88 Mietwohnungen.
8 Religionen unter einem Dach
Im Haus der Religionen begegnen sich acht Religionen unter einem Dach. «Das erste Mal auf der Welt steht ein Haus, in welchem so verschiedene Religionsgemeinschaften unter einem Dach zusammen arbeiten, ihren Kultus feiern, gestalten, diskutieren, entwickeln und die Anliegen des Dialogs in ihre Gemeinschaften hinein und in die Welt hinaus vermitteln», hält die Stiftung fest.
Im Haus der Religionen haben die Aleviten (Angehörige einer islamischen Glaubensrichtung), die Hindus, die Muslime, die Buddhisten und die Christen ihre Räume. Jede Glaubensgemeinschaft ist für die Finanzierung und den Ausbau des eigenen Raumes zuständig. Die Juden, die Bahaïs und die Sikhs sind zwar im Verein Haus der Religionen - Dialog der Kulturen engagiert, verfügen jedoch über keine eigenen Räume.
Nach Überzeugung der Träger-Stiftung ist das gemeinsame Dach «ein unübersehbares und weltweit einzigartiges Zeichen, dass der interreligiöse und interkulturelle Dialog in der Lage ist, konkrete gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken, Vertrauen unter miteinander unvertrauten Menschen aufzubauen, gemeinsam und friedlich vorwärts zu gehen und nicht trotz, sondern mit den Unterschiedlichkeiten Lösungen für die Gestaltung des Alltags zu finden».
Zur Webseite:
Haus der Religionen
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Datum: 12.12.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Kipa