Putin und Kyrill ziehen am gleichen Strang
Heute ziehen Patriarch Kyrill und Präsident Putin am gleichen Strang. Nicht nur politisch, auch persönlich: Schliesslich war es Kyrills Vater, von dem der kleine Vladimir einst heimlich getauft wurde. Das Zusammenspiel von staatlicher und politischer Führung in Moskau zeigt sich ganz akut in der Ukraine: Nach Herauslösung von Kiew aus der Sowjetunion und später auch aus dem Einflussbereich des postkommunistischen Russlands ist seine kirchliche Abhängigkeit von diesem Vladimir Putins letztes Standbein am Dnepr geblieben.
Über die Ukraine hinaus sieht Moskau in der gesamten orthodoxen Kirche einen wichtigen Faktor seiner globalen Strategie. Einer der einflussreichsten Ideologen im heutigen Russland, Alexander Dubin, hat dem US-Magazin «Time» anvertraut: «Für uns stellt die Orthodoxie die Achse der russischen Weltordnung dar, die aufzurichten wir bestrebt sind.»
Orthodoxes Griechenland im Visier des Kremls
Eine wichtige Rolle in diesem Machtspiel hat der Kreml dem orthodoxen Griechenland zugedacht. In Athen scheint man sich darüber inzwischen im Klaren zu sein. Jedenfalls wurde in diesen Tagen einem der nach Kyrill gewichtigsten Vertreter der kirchenpolitischen Nomenklatura die Einreise nach dem Berg Athos verweigert: Erzbischof Varsonofij Sudakov von Petersburg. Schon im Juli hatte der griechische Aussenminister Nikos Kotzias zwei russische Diplomaten ausgewiesen und über zwei weitere, früher akkeditierte, das Verbot einer Rückkehr verhängt. Ihnen wurde nicht wie in solchen Fällen üblich Spionage vorgeworfen, sondern Beeinflussung griechischer Bischöfe und Machenschaften in der Klosterrepublik Athos.
Kirchenspezialist Alexei Popov
Unter den russischen Diplomaten, die nicht mehr nach Griechenland dürfen, ist der inzwischen in Vietnam stationierte Alexei Popov. Zuvor war er als Generalkonsul in Saloniki durch gezielten Ausbau kirchlicher Beziehungen aufgefallen. Seine Aktivitäten bewegten sich zwischen Besuchen am Athos, beim bekannt russophilen Metropoliten Panteleimon Kalpakidis im makedonischen Berroia und der Insel Limnos, wo er vor drei Jahren am russischen Soldatenfriedhof ein Kriegerdenkmal einweihte, während draussen auf See der Zerstörer «Svetlivi» einen Zwischenfall mit der türkischen Marine provozierte. Sogar aus Vietnam kam Popov 2017 noch einmal nach Limnos, um es zur «Griechisch-Russischen Freundschaftsinsel» zu erklären. Auch sonst war der Diplomat nach seiner Abberufung weiter in Griechenland aktiv. Blieb er doch Vizepräsident des griechischen Zweiges der «Kaiserlichen Orthodoxen Palästinagesellschaft».
«Kaiserliche» Palästinagesellschaft» und «Dialog der Zivilisationen»
Diese hatte Zar Alexander III. 1882 zum Ausbau der russischen Pilgerwege nach Jerusalem, aber auch der politisch-militärischen Präsenz am östlichen Mittelmeer gegründet. In diesem Sinn wirkte sie bis zur Oktober-Revolution, wurde dann 2007 von Putin neu gegründet. An ihre Spitze stellte er den Geheimdienst-Generaloberst Sergei Stepaschin, der 1999 als Regierungschef den Übergang von Boris Jelzin bewerkstelligt hatte. Ein Auslandszweig der neuen Palästinagesellschaft wurde in Griechenland gegründet. Zum Präsidenten machte Putin den kaukasusgriechischen Baulöwen Symeon Panagiotidis. Gleichzeitig erhielt dieser den Auftrag für Abfallentsorgung in Petersburg in Höhe von 500 Millionen Euro.
Eine weitere Schlüsselfigur beim Griff der Russen nach Athen ist neben Alexander Dugin – der mit 600 griechischen Politikern E-Mails austauscht – der ehemalige «Eisenbahn-Zar» Vladimir Jakunin. Wie er früher der orthodoxen Kirche ausrangierte Waggons als Notkirchen zur Verfügung stellte, gründet er neuerdings Denkwerkstätten für künftige russische Globalgeltung. Griechischer Partner bei diesem «Dialog der Zivilisationen» ist der Reeder Nikolaos Papanikolaou. Jeden September versammelt er auf der Insel Rhodos eine weltweite politische, wirtschaftliche und kulturelle Elite, um sie für Russland als kommende Vormacht zu gewinnen.
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Datum: 12.09.2018
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet