Dunants 110.Todestag

Der das Kreuz rot und international machte

Er ist für das internationale «Rote Kreuz» bekannt: Der Genfer Henri Dunant. Am 30. Oktober jährte sich sein Todestag zum 110.Mal. Doch nicht nur in St. Gallen hinterliess er seine Spuren, sein Erbe ist weitaus grösser, ja sogar unermesslich global.
Henri Dunant (Bild: Wikipedia / Public Domain)
Rotes Kreuz Flagge (Bild: Pixabay)
Muslimische Mädchenschule in der das SRK «WASH-Projekte» realisiert hat

Zeit für eine Hommage.Wer kennt sie nicht, die Rotkreuz-Kurse, die weissen Fahrzeuge oder gar die internationalen Helfer in Krisen-Gebieten? Damals dachte wohl niemand, dass im kirchlichen Umfeld Genfs mit der Familie Dunant etwas beginnen könnte, das sich einmal zu einer der wichtigsten humanitären Hilfsorganisationen weltweit entwickeln wird. Das IKRK überwindet viele Grenzen und ist gerade in der heutigen Zeit Vorbild für ein engagiertes und menschliches Miteinander.

Geistlich-humanitäre Nestwärme und Sprungbrett

Im zarten Alter eines Sonntagsschülers besuchte Henri Dunant die Société Evangélique de Genève, die unter dem Einfluss des Réveil, einer frankophonen Erweckungsbewegung, stand. Bereits mit 19 Jahren begann er, mit Freunden in einer Gruppe junger Menschen die Bibel zu studieren und gemeinsam hungernde und kranke Menschen zu unterstützen. Auch für Gefangenenbesuche nutzte der Junge seine Freizeit und war früh bekannt als einer, der Menschen für seine Ziele begeistern konnte.

Inspiriert durch den Erweckungsprediger Adolphe Monod, gründete er am 30. November 1852 eine Genfer Gruppe des Christlichen Vereins junger Männer (CVJM) und gehörte 1847 auch zu den fünfzehn Gründern der Schweizerischen Evangelischen Allianz. Er wurde im Alter von 24 Jahren ihr charismatischer Sekretär und leitete sie in dieser Funktion bis 1859.

Solferino: Der Schock-Moment

Die Reiseeindrücke aus Algerien, Tunesien und Sizilien stachelten Dunant 1858 zu seinem ersten Buch mit dem Titel «Notice sur la Régence de Tunis» (Notizen zu Tunesiens Regentschaft) an. Dadurch erhielt er Zugang zu diversen wissenschaftlichen, internationalen Kreisen.

Eines Abends im Juni 1859 kam der Handelsreisende beim Schlachtfeld in der Nähe Solferinos vorbei, wo immer noch rund 38'000 Verwundete, Sterbende und Tote auf dem Schlachtfeld lagen. Tief betroffen organisierte er kurzerhand mit Freiwilligen aus der dortigen Bevölkerung eine notfallmässige Versorgung der verwundeten Soldaten; mit der grössten Kirche der Region als Temporär-Spital.

Die helfenden Frauen Castigliones machten mit ihrem barmherzigen Dienst den Ausdruck «Tutti fratelli» (ital. Alle sind Brüder) bekannt, der wiederum topaktuell vom Papst Franziskus in seiner Enzyklika aufgenommen wurde. Bezeichnenderweise gelang es Dunant auch, Ärzte der österreichischen Armee für die Versorgung fremdländischer Verletzter zu gewinnen; alles finanziert durch seine eigenen Mittel.

Sogar den Feind pflegen

1862 nahm er seine Mission in Angriff, die humanitäre Vision von Hilfsgesellschaften zur Linderung der Kriegsleiden umzusetzen. Dunant zog weit herum und konnte viele Führungs-Persönlichkeiten aus Politik und Militär gewinnen. Diverse Widerstände gab es hingegen auch, wobei besonders Florence Nightingale überraschte, die für solche Dienste den Staat als verantwortlich sah. Andererseits konnte er von Leuten wie dem König von Sachsen, der sein Projekt als «menschenfreundliches Werk» lobte, auf volle Unterstützung zählen.

Während der ersten Tagung beschlossen am 17. Februar 1863 die Mitglieder, die Genfer Kommission in eine ständige Einrichtung umzuwandeln. Dieses Treffen gilt somit als Gründungsdatum des Internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundeten-Pflege, das seit 1876 den Namen «Internationales Komitee vom Roten Kreuz» (IKRK) trägt. Dufour wurde zum ersten Präsidenten gewählt.

Mit Auszeichnungen überhäuft

Unter anderem erhielt der welsche Menschenfreund im Januar 1860, zusammen mit dem Genfer Arzt Louis Appia, vom sardischen König Viktor Emanuel II. den Orden des Heiligen Mauritius und Lazarus und später die zweithöchste Auszeichnung des Königreichs Italien. Er wurde im Frühjahr 1865 durch Napoléon III. in die französische Ehrenlegion «La Légion d'honneur» aufgenommen, was auch ein Zeichen des freundschaftlichen Respekts von Napoléon darstellte. Und zwar hielt diese Beziehung zeitlebens.

Im Jahr 1901 erhielt Dunant für die Gründung des Roten Kreuzes und dem Entwickeln der Genfer Konvention den Friedensnobelpreis; die historische Premiere dieser Preis-Verleihung.

Soldaten-Hilfe und der Widersacher

Auf Einladung des Schweizer Bundesrates fand eine diplomatische Konferenz statt, bei der am 22. August 1864 zwölf Staaten die erste Genfer Konvention unterzeichneten. Bereits damals degradierte der ehemalige Weggefährte Moynier Henri Dunant zum Protokollführer. Gleichzeitig wurde das allseits bekannte Signet des Roten Kreuzes auf weissem Grund abgesegnet; notabene das Pendant zur Schweizer Flagge.

Immer mehr entwickelte sich Moynier zum lebenslangen Feind und Gegner Dunants, der beispielsweise veranlasste, dass Gelder von Napoleon abgeblockt wurden, die eigentlich zur Rettung von Dunants Finanzproblemen gedacht waren. Zudem wirkte darauf hin, dass Dunant aus dem Komitee und später auch aus dem CVJM gedrängt wurde.

Sozial und finanziell verarmt

Gerade die fehlenden Finanzen, aber auch diese Ausschlüsse nagten an Dunants Seele; ähnlich dem Schicksal des St. Galler Polizei-Hauptmanns Paul Grüninger, der unzähligen Juden über die Grenze half und schlussendlich verarmt zurückgelassen wurde. Selber vernachlässigt und mit einem Schuldenberg kämpfend, verwunderte es nicht, dass sich der Rot-Kreuzler der ersten Stunde mit depressiven Gedanken herumschlug. Sogar an seinem Rückzugs-Ort Heiden fühlte er sich von seinem Widersacher Moynier verfolgt.

Mit folgenden Worten verabschiedete sich Henri Dunant von einer Welt, von der er sich zurückzog und die er doch selber zu mehr Nächstenliebe antreiben konnte: «Ich wünsche, zu Grabe getragen zu werden wie ein Hund, ohne eine einzige von euren Zeremonien, die ich nicht anerkenne. Ich rechne auf eure Güte zuversichtlich, über meinen letzten irdischen Wunsch zu wachen. Ich zähle auf eure Freundschaft, dass es so geschehe. Ich bin ein Jünger Christi wie im ersten Jahrhundert und sonst nichts.»

So viel mehr als eine Projekt-Erbschaft

Was dieser Jünger Christi hinterlässt, ist nicht bloss ein kleines Projekt in einem Dorf, sondern Visionen, Institutionen und Barmherzigkeits-Dienste mit gewaltigem Einfluss. Als Beispiele zählen die Idee einer Weltbibliothek, die etwa 100 Jahre später durch die UNESCO aufgegriffen wurde, die Gründung eines Staates Israel oder sein Einsatz für die Befreiung der Sklaven in Nordamerika sowie für die rechtliche Gleichstellung der Frauen.

Und dies alles von einem Mann, der sich selbst demütig als «Jünger Christi und sonst nichts» bezeichnete.

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Datum: 06.11.2020
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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