Umgang mit Demenz

«Honig im Kopf» – Was steckt dahinter?

«Papa. Was machen die Milchflaschen im Wohnzimmerregal?» Niko (Til Schweiger) ist über seinen Vater Amandus Rosenbusch (Dieter Hallervorden) entsetzt. Darauf Amandus: «In der Spülmaschine war kein Platz mehr.» Weil der Opa nicht mehr alleine klar kommt, zieht er bei seinen Kindern ein - und mischt ihren Haushalt ordentlich auf. Darum soll Opa ins Heim. Aber die Enkelin Tilda (Emma Schweiger) hat eine Idee: Sie flieht mit ihrem Opa nach Venedig...
Szene aus «Honig im Kopf»
Uli Zeller bei der Arbeit im Altersheim
Cover von Uli Zellers Buch «Frau Krause macht Pause»

Alzheimer & Demenz – was ist das?

«Honig im Kopf» – ein Film, über den man gleichzeitig lachen und weinen muss. Eine lustige Geschichte mit ernstem Hintergrund. Was ist Alzheimer überhaupt? Der Kinderarzt erklärt es Enkelin Tilda im Film so: Das Gehirn ist wie ein Bücherregal. Mal fällt dieses Buch um. Und mal jenes Buch. Je nach Tagesverfassung kann sich auch ein Buch mal wieder aufstellen. Aber: Schreitet Alzheimer fort, fallen immer mehr Bücher ganz aus dem Regal. Der Überbegriff von Alzheimer ist Demenz. Vergleicht man es mit einer Landkarte, wäre Demenz der Kontinent. Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz und somit das grösste Land auf diesem Kontinent.

Demenz & Glaube – wie geht das zusammen?

Häufig hört man über Menschen mit Demenz: «Sie wissen nichts mehr. Sie verstehen nichts mehr. Es macht keinen Sinn, ihnen etwas weitergeben zu wollen.» Und wenn es um Glaubensfragen geht, sind sie sowieso nicht mehr erreichbar. Das würde ich so nicht stehen lassen. In meiner seelsorgerlichen Tätigkeit in einem Altenheim merke ich immer wieder, wie gut Betroffene noch erreichbar sind. Sie können vor allem über Gefühle und Erinnerungen abgeholt werden.

Mit Erinnerungen und Gefühlen

Emma Schweiger erklärt es im Film «Honig im Kopf» so: «Menschen mit Alzheimer putzen dreimal hintereinander die Zähne. Weil sie sich nicht mehr erinnern können, dass sie es eben schon gemacht haben. Aber sie wissen noch, dass sie vor 25 Jahren Zahnseide benutzt haben.» Daten aus der Vergangenheit und Erinnerungen an die Kindheit sind dementen Menschen noch lange präsent. Aber sie wissen nicht mehr, was gerade vorhin war. Dies kann man nutzen, wenn man mit ihnen umgeht. Man kann ihnen von früher erzählen: Erlebnisse aus ihrem eigenen Alltag. Die Geschichten, die sie früher immer selber erzählt haben. Sogar bei einer fortgeschrittenen Demenz können Erinnerungen an ihren Lebenslauf noch ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. Auf diese Art kann man demente Menschen erreichen: Gibt es Erinnerungen, die mit Emotionen verbunden sind? Amandus Rosenbusch zum Beispiel gab im Film eine Vermisstenanzeige nach seiner verstorbenen Mutter auf. Die Mutter weckte sicher gewaltige Gefühle bei ihm. Amandus könnte man abholen, indem man auf seine Mutter zu sprechen kommt: Wie war sie? Was hat sie gemacht? Was hat sie dem Sohn weiter gegeben?

Brückenbauer zu geistlichen Inhalten sein...

Vielleicht findet man dann sogar eine Brücke zu einem geistlichen Thema: Dankbarkeit, Gnade, Gottes Liebe. Einer alten Frau mit Demenz erzähle ich immer wieder eine Episode aus ihrem eigenen Leben. Ich erzähle sie ihr oft so, wie wenn es sich um eine ganz andere, dritte Person handeln würde: «Luise hatte einen Streit mit ihrem Nachbarn. Sie waren anderer Meinung. Luise hat...» Während ich die Geschichte erzähle, werden die Augen der alten Frau immer grösser. Ich bin überzeugt, dass sie weiss, dass sie selber diese Luise ist. Schliesslich sage ich zu dieser Frau: «Inzwischen ist Luise eine alte Frau. Und es ist gut, dass man diesen Ärger nicht ewig mit sich herum schleppen muss. Luise darf ihrem Nachbarn vergeben. Und sagen: Gott, ich gebe dir meinen Ärger ab.» Und manchmal lächelt die alte Frau dann.

Der Kinderarzt im Film «Honig im Kopf» hat Tilda ebenfalls erklärt, wie sie mit ihrem dementen Opa umgehen kann: «Er braucht Liebe und Verständnis. Das Gefühl, dass du ihn verstehst. Du musst ihm Aufgaben geben, damit er sich gebraucht fühlt.»

Vom Autor dieses Artikels Uli Zeller stammt auch das Buch «Frau Krause macht Pause: Andachten zum Vorlesen für Menschen mit Demenz.»

Zum Buch:
Schweiz
Deutschland

Weitere Bücher von Uli Zeller:
- Frühjahr 2016 erscheint «Frau Janzen geht tanzen: Fröhliche Geschichten zum Vorlesen für Menschen mit Demenz.» Brunnen-Verlag.
- Herbst 2016 erscheint ein Ratgeber für Angehörige von Menschen mit Demenz, ebenfalls im Brunnen-Verlag.

Zum Thema:
Kein hoffungsloser Fall: Demente Menschen mit Gottes Liebe berühren
Neuer Umgang: «Demenz ist keine Krankheit»

Datum: 05.11.2015
Autor: Uli Zeller
Quelle: Livenet

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