Mit Filmen erklären, wie Gott ist
pro: Sie kommen aus einem kleinen Ort in Hessen. Wovon haben Sie als Kind geträumt?
Judith
Hahn: Tatsächlich von der Schauspielerei. Mit sechs Jahren habe ich
schon mit meiner Schwester und zwei Freundinnen Szenen aus Disney-Filmen
nachgespielt. Wir haben uns selbst Geschichten ausgedacht und
aufgenommen. Ich war fasziniert davon, andere Menschen darzustellen. Als
Schauspieler darf ich viele Leben leben, ohne das eigene zu gefährden.
Wie haben Sie das Ziel weiterverfolgt?
Ich
war in Musicalgruppen aktiv und sehr ehrgeizig. Wenn ich nicht die
Hauptrolle bekam und «nur» im Chor singen sollte, hatte ich oft keine
Lust mehr. Leider haben manche Christen mein Hobby kritisch gesehen und
belächelt. Als ich 18 Jahre alt war, hatte mein Jugendkreisleiter meine
Idee, Schauspielerin zu werden, wieder nach oben katapultiert.
Was hat die Menschen in Ihrem Umfeld gestört?
Sie
sahen darin ein «schmutziges Geschäft» und konnten mit dem Milieu
«Schauspiel» nichts oder nur Negatives anfangen. Ich war mir sicher,
dass ich in diesem Beruf wertvoll für andere sein könnte. Von einem Film
mit einer guten Botschaft können auch Christen profitieren. In der Nähe
von Los Angeles habe ich nach dem Abitur in einem Praktikum geprüft, ob
ich Lehrerin werden wollte.
Der Beruf hat Sie anscheinend nicht überzeugt…
Nein,
das war nicht mein Ding. Ich habe Kontakt zum Schauspiel-Coach John
Kirby bekommen. Er hat Schauspieler wie Jim Caviezel und Cameron Diaz
unterrichtet. Er geht mit seinem Christsein nicht hausieren. Obwohl ich
beim Vorsprechen ein Blackout hatte, wurde ich in eine seiner Klassen
aufgenommen. Er hat mich immer neu motiviert, mein Ziel zu verfolgen,
und er hat meinen Stil und meine Natürlichkeit gelobt.
Was sind denn die wichtigsten Eigenschaften eines guten Schauspielers?
Er
muss authentisch sein. Schauspielern, die nur ihren Text aufsagen,
glaube ich kein Wort. Er muss den Zuschauer an seinen Emotionen
teilhaben lassen. Ein Schauspieler ist ein guter Zuhörer: sich und
seinem Spielpartner, um auf das Empfinden des anderen zu reagieren.
Sie hatten im vergangenen Herbst Premiere mit einem Hollywood-Film, «8 Remains». Was bedeutet das für Sie?
Am
23. November fand die Premiere in Hollywood vor internationalem
Publikum statt. Im Gegensatz zu berühmteren Hollywood-Filmen hat die Los
Angeles Times ihn nicht zerrissen. Ich selbst hatte keine grosse, aber
eine wichtige Charakterrolle. Die Deutschland-Premiere in Berlin fühlte
sich gut an. Es ist kein grosser Hollywood-Streifen. Er läuft zunächst
«nur» bei Amazon Prime. Aber vielleicht ist er ja ein Sprungbrett für
neue Aufgaben.
Worum geht es in dem Film?
«8
Remains» ist ein Mystery-Thriller. Für die Hauptperson Talli bleibt die
Zeit stehen. Sie wird von einem Mann gewürgt und im Moment ihres Todes
steht sie neben sich. Währenddessen erinnert sie sich an wichtige
Momente ihres Lebens. Der Film hat die Botschaft, an sich selbst zu
glauben und seinen wahren Wert nicht aus den Augen zu verlieren. Filme
haben für mich eine gute Botschaft, wenn sie Mut machen und ich in die
Welt rausgehe mit dem Gefühl, ich kann etwas in dieser Welt verändern.
Wieviel Druck verspüren Sie, als freischaffende Künstlerin für Ihr Auskommen zu sorgen?
Ich
träume davon, irgendwann vom Schauspiel leben zu können. Ich habe
einmal den Satz gehört: «Wenn du Plan A hast und Plan B in Erwägung
ziehst, kannst du Plan A vergessen.» Ich arbeite nebenher noch als
Barista in einer Bar. Dabei kann ich meine künstlerische Ader ausleben.
Mein Chef lässt mir viele Freiheiten bei der Einteilung der Arbeitszeit.
Über die Zukunft mache ich mir schon Gedanken.
Man hört, dass es weibliche Schauspieler ab 45 Jahre schwer haben. Was ist da dran?
Das
ist leider so. Die meisten Filmgeschichten handeln von Männern. Da wird
dann die junge Geliebte oder die nörgelnde Ehefrau besetzt. Das Leben
erzählt zum Glück aber auch Geschichten von Frauen mit Mitte 30. 2006
hatte ich bei der Arbeitsagentur für Schauspieler gehört, dass ich zu
alt bin, um mit dem Schauspiel anzufangen. Ich habe mir gedacht, dass
man nie zu alt ist, um Geschichten zu erzählen. Ich wünsche mir, dass
wir die Geschichten entdecken und verfilmen, die das Leben schreibt –
vor allem auch von grossartigen Frauen.
Haben Sie aufgrund von eigenen Moralvorstellungen auch schon Szenen abgelehnt?
Ich
sage nicht zu jeder Rolle Ja. Oft bete ich auch bei Anfragen, damit ich
weiss, ob Gott mich in dieser Rolle haben möchte. Sex- oder Nacktszenen
sage ich nur zu, wenn sie für die Geschichte relevant sind. Sex ist bei
Christen ein Tabuthema, dabei ist er ein Geschenk Gottes.
Wie sind Sie persönlich mit solchen Anfragen umgegangen?
Ich
lehne Rollen ab, die nur dabei helfen, «sex sells» zu verwirklichen,
oder die mein psychisches und seelisches Befinden beeinflussen. Einen
Exorzisten, oder Filme, die die echte unsichtbare Welt thematisieren,
würde ich nicht spielen. Aussenstehende erleben christliche Gebete und
Wunder auch als etwas Magisches. Jesus hat uns eine Freiheit gegeben.
Deswegen erlaube ich mir kein Urteil, wenn Schauspieler bei
Harry-Potter-Filmen mitspielen. Auch dieser Film hat eine gute Botschaft
und schafft Möglichkeiten, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Thematisieren Sie Ihren Glauben am Set?
Ich
falle nicht mit der Tür ins Haus. Als Christ habe ich sofort einen
Stempel. Meistens ist er negativ. Ich bin erst einmal ich. Aber es gibt
vereinzelte Momente, in denen ich Menschen Wertschätzung entgegenbringe
und sie achte, ohne zu sagen, dass ich Christ bin.
Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Eine
Kommilitonin in der Schauspielschule hat Dinge erlebt, die nicht
natürlich zu erklären waren. Ich habe gemerkt, dass ich ihr nachgehen
muss. Ich habe sie gefragt, ob ich für sie beten darf. Sie hat es
zugelassen. Obwohl wir unterschiedlich ticken, konnte ich mich um sie
kümmern. Negativ war, als ich einen James-Bond-Film in unserer Klasse
scharf kritisiert habe, obwohl ich ihn nicht gesehen hatte. Am
Wochenende habe ich ihn geschaut und meine Meinung geändert. Ich habe am
Montag vor der Klasse den Film in den höchsten Tönen gelobt. Die
anderen dachten, ich schleime mich beim Lehrer ein. Ihr Bild von meiner
Ehrlichkeit als Christin habe ich zerstört, indem ich die Information
«verschwiegen» hatte, dass ich den Film gesehen und meine Meinung
geändert hatte.
Manche Theologen und Gemeindeleiter geben vor Publikum eine schlechte Figur ab. Sollten sie Schauspielunterricht nehmen?
Wenn
da vorne nur ein Schauspieler steht, ist das nicht authentisch.
Andererseits können sich Menschen beim Schauspielunterricht besser
kennenlernen und sich und den anderen besser lesen. Das kann bereichern.
Es ist schade, wenn vorne von der Freude erzählt, sie aber nicht gelebt
wird. Ich will als Christ doch die Leidenschaft weitergeben, die in mir
brennt.
Welches Projekt würden Sie gerne einmal angehen?
Eine
gute Mischung aus Action, Drama und Liebe, mit Kostümen natürlich. Als
Schauspielerin kann ich in viele verschiedene Leben und Charaktere
reinschauen. Das erleichtert auch das echte Leben. Als Drehbuchautorin
möchte ich Geschichten und Filme erzählen, die ermutigen. Ich habe mal
den Satz gehört: «Wenn Jesus heute auf die Welt käme, wäre er
Regisseur.» Filme können verdeutlichen, wie Gott ist. Wir sollen als
Christen Licht in die dunkle Welt tragen. Genau da will ich hin und
Menschen erreichen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Judith Hahn, Jahrgang 1985, wurde im mittelhessischen Wetzlar geboren. Heute lebt sie in Berlin. Von 2006 bis 2009 besuchte sie die Schauspielschule für Film und Fernsehen in Wien. Ausserdem war sie 2015 an der New York Film Academy. Preise erhielt sie vor allem für ihren Kurzfilm «It could be your daughter». Ausserdem führte sie selbst schon bei etlichen Filmen Regie.
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Datum: 30.06.2019
Autor: Johannes Blöcher-Weil
Quelle: PRO Medienmagazin | www.pro-medienmagazin.de