Single mit Kindern – nicht ganz einfach!
Die Interviewpartnerinnen sind:
Sue, 28, ledig, 5-jähriger Sohn
Bea, 43, ledig, 8-jähriger Sohn
Vroni, 63, erlebte eine Trennung mit nachfolgender Scheidung, als ihre Kinder 10, 12 und 17 Jahre alt waren.
Zum eigenen Schutz und zum Schutz ihres Umfeldes werden die drei Frauen hier nur mit Vornamen erwähnt.
Wie erleben Sie persönlich das Singlesein mit Kindern?
Sue: Besonders schwierig finde ich die 24/7-Präsenzzeit. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, geht die Arbeit zu Hause weiter. Ich muss kochen, meinen Sohn baden, ins Bett bringen, Küche machen etc. Ich sehne mich oft nach einer Pause. In all dem erlebe ich aber oft, wie Jesus mir Kraft gibt und mir ganz praktisch im Alltag hilft.
Bea: Für mich war das Mutterwerden ganz wichtig und ein echter Wendepunkt im
Leben, zumal mir das viele Leute nicht zutrauten. Ich habe mich dann
früh dazu entschieden, in eine Mutterkind-Einrichtung einzutreten.
Natürlich war ich nicht stolz darauf, mir auf diese Art Hilfe zu holen,
aber es ging nicht anders. Ich erlebe es oft als schwierig, dass wir als
Alleinerziehende nicht wahrgenommen werden als Familie.
Vroni: Für mich war es auf allen Ebenen unnatürlich, obwohl ich realisierte, dass mein Status gesellschaftlich akzeptiert wurde. Ich habe versucht, für die Kinder Mutter und Vater zu sein und überforderte mich damit. Als ich erkannte, dass die Kinder einfach geliebt sein wollten, konnte ich meine Erwartungen runterschrauben.
Kinder und Arbeit unter einen Hut zu bringen, dürfte als Alleinerziehende sicher eine Herausforderung sein, oder?
Sue: Es ist nicht einfach und es braucht immer wieder grosse Organisationskünste.
Bea: Es ist eine körperliche Mehrbelastung. Ich lebe nun von einer Teilrente und muss erfinderisch sein, wie ich mit kleinem Budget Ferien oder Freizeitaktivitäten verbringen kann, damit wir uns als Teil der Gesellschaft fühlen können. Zum Glück gibt es Angebote wie die Kulturlegi oder Reka.
Vroni: Ich brachte meine Arbeit als Pflegefachfrau, die Kinder und den Haushalt nie wirklich unter einen Hut; irgendwo musste ich immer Abstriche machen. Da meine Kinder schon älter waren, konnten sie auch schon Verantwortung übernehmen. Die grösste Herausforderung war der Schichtdienst, der nie wirklich Routine in unserem Alltag zuliess.
Gab es daneben noch andere Herausforderungen?
Sue: Ich hatte eine chronische Erkrankung, hatte über mehrere Monate starke Schmerzen, war mehrmals pro Woche im Spital und musste mich um ein kleines Kind kümmern. Ohne Jesus hätte ich das nie geschafft!
Vroni: Für mich war es belastend, dass ich immer wieder mit meinem Ex-Mann Kontakt haben musste der Kinder wegen. Wir hatten zwar das gemeinsame Sorgerecht, aber da sie bei mir lebten, lag doch die Hauptlast bei mir.
Bea: Meine Mutter ist Schweizerin, mein Vater Peruaner und ich bin dort geboren. Wir sind aufgrund des Krieges dort in die Schweiz geflohen, was uns alle sehr traumatisierte. Ich musste lernen, mit zwei ganz verschiedenen Kulturen zu leben und wurde auch nicht vor weiteren traumatisierenden Erlebnissen bewahrt. Als ich bei einer Strassenevangelisation Jesus kennenlernte, erkannte ich, dass er auch in den schwierigsten Zeiten bei mir war und mich getragen hat.
Wünschen Sie sich einen Partner?
Vroni: Es gab schon Zeiten, wo ich mir einen Partner gewünscht hätte, aber neben meinen Kindern hatte ich dazu weder die Kraft noch die Kapazität. Heute ist es mir nicht mehr wichtig.
Sue: Kinder können definitiv ein Hinderungsgrund sein, einen
Partner kennenzulernen, vor allem weil Alleinerziehende am Abend meist
zu Hause sind oder sonst immer mit Kindern unterwegs sind.
Bea: Ich habe gesündigt, und mich von einem Mann zu etwas verleiten lassen, was heute leuchtend strahlende Kinderaugen hat. Das ist das Wunder, zu dem ich Ja gesagt habe, wie auch Ja zur Enthaltsamkeit. Nicht ich oder mein Bedürfnis nach Nähe und geteilter Last sollen mein Leben bestimmen. Gott weiss, ob ich noch heiraten soll oder nicht. Mein Kind darf auch nicht Ersatz für etwas sein, sondern meine Aufgabe, die ich dankbar als Gottes Geschenk annehme.
Wie geht es Ihnen als alleinstehende Frau mit Kind(ern) in der Gemeinde?
Bea: Insgesamt erlebe ich meine Gemeinde als sehr hilfreich und fühle mich als Mensch und Mutter angenommen. Manchmal wäre es schön, wenn sich jemand einfach so melden und mir seine Hilfe anbieten würde. Vielleicht mal eine Einladung zum Essen oder ein Angebot, mein Kind zu hüten…
Vroni: Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass das Thema Singles (mit oder ohne Kinder) in den Gemeinden vertieft angeschaut würde, damit alle den gleichen Stellenwert haben und ihren Platz finden können.
Sue: Ja, ich kenne einige Singles, die sich nicht 'vollwertig' fühlen und es scheint in christlichen Kreisen ein heisses Eisen zu sein, wenn man mit 30 noch keinen Partner hat.
Gibt es noch etwas, das Sie gerne sagen möchten?
Vroni: Männer und Frauen, die eine Scheidung hinter sich haben oder alleinerziehend sind, haben viele Herausforderungen zu meistern. Deshalb sollten sich Kirchgemeinden diesem Thema stellen und nach Wegen suchen, wie diesen Menschen moralisch, finanziell und praktisch geholfen werden kann.
Bea: Kinder sind kostbar, sie sind grossartig, wenn es um Empathie und Mitgefühl geht. Das können wir von ihnen lernen. Sie lernen von uns, sich über andere eine Meinung zu machen. Da Gott keine Fehler macht, sollten wir aber aufpassen, andere Menschen nicht zu verurteilen.
Sue: Die Freude am Kind und seine Entwicklung zu erleben, stellt jede noch so grosse Herausforderung in den Schatten.
Buch-Tipp für alleinerziehende Mütter:
Alexandra Widmer: Stark und alleinerziehend
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Datum: 11.07.2020
Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet