«Es war immer jemand für mich da»
Levin Klein schloss im vergangenen Herbst auf einer andern Fazenda im ländlich geprägten Ostallgäu seine «Rekuperation» (sich wiederfinden) ab. Das Konzept der Wohngemeinschaft mit Selbsthilfecharakter hatte den jungen Mann überzeugt.
Bei einem Besuch ist Levin Klein gerade beim Eingang zum ehemaligen Kloster Wattwil beschäftigt. Der Maurer – kurzes Haar, blaue Augen, kräftig gebaut – inspiziert gerade das Loch in der Erde, in dem später der Sockel für das Wegkreuz stehen soll. Den Berufsabschluss hat er noch nicht, «wegen meiner Suchtproblematik». Über seine Drogenabhängigkeit – Levin Klein bezeichnet sich selbst als schwerstabhängig – spricht der Deutsche freimütig.
Immer wieder Rückfälle
In den Jahren vor dem Eintritt in die Fazenda da Esperança Bickenried im Allgäu im Herbst 2010 sei er Quartalstrinker gewesen, erzählt der junge Mann. Sein Leben war geprägt von unzähligen Versuchen, mit dem Trinken aufzuhören. Und von Rückfällen. Vier staatliche, von der Krankenkasse finanzierte Therapien machte er mit. Es waren Kurztherapien ohne nachhaltige Wirkung.
Levin Klein landete für kurze Zeit auf der Strasse, der Stiefvater hatte ihm den Schlüssel für die Wohnung im Keller seines Hauses weggenommen: «Guck, wo du bleibst.» Der Suchtkranke entschied sich bald, nochmals eine Therapie zu machen. Allerdings keine staatliche, die zwischen drei und vier Monate dauert. «Das habe ich alles hinter mir, das hat mich nicht wirklich weitergebracht», sagt Levin Klein lapidar.
Nachhaltige Therapie
Der junge Mann hatte von einer Einrichtung gehört, die länger dauernde Therapien anbietet. Und auch von den Fazendas, auf denen Suchtkranke sich während eines Jahres, das Rekuperation genannt wird, in ein Leben ohne Abhängigkeit einüben können (Recuperare heisst sich wiederfinden, um ein selbstverantwortliches Leben zu führen). Das Konzept überzeugt ihn: «Die Erfahrung zeigt, dass es bei Schwerstabhängigen etwas Langes sein muss, wo auch die Möglichkeit besteht, nach Abschluss der Therapie noch länger zu bleiben.»
Sucht zweitrangig
Zudem sei auf der Fazenda das Thema Sucht zweitrangig. «Bei uns steht eher das christliche Leben im Vordergrund, die Arbeit, das Zusammenleben.» Bei ihm habe es nicht geklappt, sich auf die Sucht zu konzentrieren, um möglichst schnell davon wegzukommen.
Als besonders hilfreich hat Levin Klein die Gemeinschaft erlebt. «Es war immer jemand da, mit dem man reden kann, der das gleiche Problem hatte. Draussen gab es oft Zeiten, wo ich alleine war. Ist man alleine, kommt man viel schneller auf dumme Gedanken. Drogen besorgen, was zu saufen, um im Kopf zuzumachen.» Gefallen hat Levin Klein auch das spirituelle Programm auf der Fazenda, insbesondere die Bibelbetrachtung. Mit dem Rosenkranzgebet hat der evangelische Christ, der schon immer einen Bezug zu Gott hatte, allerdings «so ein bisschen» Probleme. Da machte er mit der Zeit nicht mehr mit. Dies sei aber toleriert worden.
«Es gab viele Krisen»
Levin Klein arbeitete auf der Fazenda im Allgäu in Küche und Stall mit und schlug Holz im Wald für den Ofen. Als Maurer konnte er auch viele Bauarbeiten übernehmen. Mit den strengen Regeln – kein Handy, kein Internet, kein Alkohol und keine Zigaretten – kam er besser zurecht als erwartet. Die dreimonatige Kontaktpause zu Beginn fand er erleichternd. Diesen Abstand habe er gebraucht.
Gab es mal eine grosse Krise während der zwölf Monate auf der Fazenda Bickenried? «Ja. Es gab viele Krisen, eigentlich. Es war eine sehr schwierige Zeit für mich», sagt Levin Klein. Er hatte erwartet, dass es ihm viel schneller wieder besser gehe und er keine psychischen Probleme mehr habe. Der Suchtkranke musste dann feststellen, dass man drei bis sechs Monate braucht, «um überhaupt anzukommen, sich zu beruhigen, ohne dann schon zu regenerieren oder was Neues zu entdecken». Diese Erfahrung gibt er jetzt den Neuen weiter.
Angst vor dem Leben
Levin Klein wohnt immer noch auf der Fazenda im Allgäu. Obschon er keine Drogen mehr konsumiere, sei er noch nicht vollständig gesund. Immer wieder leide er unter psychischen Problemen. Und im Moment hat er noch Angst vor dem Leben draussen, fühlt sich noch unsicher, «weil ich halt viele Jahre abhängig war und es schwierig ist. Ich weiss noch nicht, wie ich mich verhalten werde, wenn mir Alkohol und Drogen öfter begegnen als hier auf der Fazenda.»
Webseite:
Schweizer Fazeda da Esperança
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Datum: 12.05.2012
Quelle: Kipa