Traumberuf Pastor?!

Sören Koch: «Aber Gott hatte noch mehr auf dem Plan...»

Sein Traum war es, Automechaniker zu werden und danach Ingenieur für Fahrzeugtechnik. Doch es kam anders: Heute ist Sören Koch Pastor bei der OrangeChurch in Essen.
Sören Koch

Meine ersten Worte als kleiner Junge waren Fahrzeugnamen und meine Babysitter hatten es sehr leicht mit mir: Man musste mich einfach ans Fenster stellen, sodass ich die Autos sehen konnte, und mir ging es gut. Heute taugen meine Autoschrauber-Erfahrungen allenfalls als negative Illustrationen in Predigten. Wie kam es dazu, dass ich Pastor wurde?

Beziehung statt fromme Programme

Gott ist schon sehr früh in mein Leben getreten. Ich bin mit meinen Eltern jeden Sonntag in den Gottesdienst einer Landeskirchlichen Gemeinschaft gegangen. Ausserdem war ich oft auf frommen Freizeiten und habe in einem christlichen Werk meinen Zivildienst geleistet. Dort habe ich gelernt, dass eine Beziehung mit Jesus viele Facetten haben kann und nicht nur meine eigene Tradition beinhaltet. Natürlich habe ich mich dann auch selbst dazu entschieden, eine Beziehung mit Jesus zu leben.

Ich kam nie auf die Idee, Jugendpastor zu werden. Nach dem Zivildienst sollte meine Karriere in der Fahrzeugindustrie beginnen. Nur wollte mir niemand in der Fahrzeugindustrie eine Lehrstelle anbieten. Als Notlösung überlegte ich mir dann, dass ich auf eine Bibelschule gehen könnte. «Das hat wahrscheinlich noch niemandem geschadet», dachte ich mir. Da ich nur ein Jahr dort bleiben wollte, nahm ich das Ganze eher auf die leichte Schulter.

Nach diesem Jahr bekam ich endlich den Ausbildungsplatz und begann meine Karriere in einer Autowerkstatt. Noch innerhalb der Probezeit stand ich eines Nachmittags in der Halle und plötzlich schoss es mir durch den Kopf: «Was machst du eigentlich hier?» Meine intuitive Antwort war: «Was soll ich denn sonst machen?» Und plötzlich tauchten immer mehr Fragen auf: Auf einmal musste ich überlegen, ob dieser «Traumjob» vielleicht doch nicht der richtige Job für mich sein könnte.

Innerhalb kürzester Zeit entschied ich, meine Ausbildung abzubrechen und Theologie zu studieren. Ohne ein konkretes Ziel dahinter. Ich wollte ja immer noch nicht Jugendpastor oder so etwas sein. Ich fing also ein Studium an, von dem ich nicht wusste, wofür ich es einsetzen werde. Sehr viele Mitstudenten hatten bereits einen Plan, was sie nach ihrem Studium tun wollten oder sollten. Sie hatten eine «Berufung für den vollzeitlichen Dienst». Ich konnte mit diesem Wort «Berufung» nicht viel anfangen.

Doppelt geprüft

Nach dem ersten Studienjahr stand eine sehr schwierige Prüfung auf dem Plan. Jeder Student wusste schon vor dem Studium, dass diese Griechischprüfung der absolute Hammer wird. Das ganze Jahr hatte man sie im Hinterkopf. Und natürlich musste man sie bestehen. Ausgerechnet kurz vor dieser Prüfung wurde ich sehr krank. Lange Zeit konnte mir kein Arzt sagen, welche Krankheit ich habe. Die Symptome wurden aber immer schlimmer: Schwindel, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Sprachstörungen, Sehstörungen...

Nachdem mich meine Mitbewohner mal wieder zum Krankenhaus gefahren haben, bekam ich auch endlich eine Diagnose: Hirnhautentzündung. Weil ich sie so lange mit mir herumtrug, war sie schon weit fortgeschritten. Ich musste im Krankenhaus bleiben, war froh, dass nun endlich eine Behandlung möglich war und hatte ein Problem: die Prüfung. Ich wollte sie ja unbedingt bestehen. Aber mein Gehirn war ausser Gefecht gesetzt. Also lernte ich, was ich konnte, und musste die Ärzte überreden, mich zur Nachschreibprüfung gehen zu lassen, damit ich wenigstens diese Chance nutzen konnte. Und es reichte, ich habe die Prüfung bestanden! Nicht besonders gut, aber das war zweitrangig.

Für mich war dieses Erlebnis im Nachhinein sehr wichtig. Bis dahin war mir nicht klar, was dieses Studium soll, welches Ziel ich damit habe und ob ich damit eine gute Entscheidung getroffen hatte. Wollte Gott das wirklich? Kann er mich gebrauchen?

Nach dieser Krankheit und der Prüfung war mir zwar immer noch nicht klar, was Gott speziell mit mir vorhat, aber ich war mir sicher, dass ich auf dem richtigen Weg war. Ich studierte weiter, auch wenn ich keine «Berufung» hatte. Ich wusste, dass Gott mich dort haben will. Zumindest in dieser Zeit.

Nach dem Studium war immer noch nichts von einem konkreten Einsatzbereich für mich zu sehen. So bewarb ich mich bei der «Saddleback Church» (eine recht grossen Gemeinde in Kalifornien, bekannt durch Pastor Rick Warren und das Buch «Leben mit Vision») um einen Praktikumsplatz im Bereich der Jugendarbeit und wurde angenommen. Zweieinhalb Jahre durfte ich dort ganz praktisch Jugendarbeit lernen.

Wichtiger als tolle Gebäude und Zahlen

Die meisten Freunde, die mich dort besucht haben, waren fasziniert von den Gebäuden, den Abläufen, der Grösse (etwa 20'000 Gottesdienstbesucher) und dem Äusseren, das man bei einem kurzen Besuch sehen konnte. Doch bei mir löste es etwas anderes aus: In den zweieinhalb Jahren dort habe ich eine Begeisterung für Jesus und eine Liebe für Menschen erlebt, die mir zuvor nicht bekannt war. Bisher war der Glaube etwas Fernes. «Irgendwann ist man mal bei Gott.» Aber jetzt passierte etwas im Hier und Jetzt: Menschen haben Jesus in ihrem Leben erlebt. Bisher hatte ich hauptsächlich Christen gekannt, die zwar im Himmel sein würden, aber hier auf der Erde scheinbar nichts davon hatten, dass sie Jesus nachfolgen. Und plötzlich erlebte ich es ganz anders: Jesus hatte konkret mit Entscheidungen zu tun, mit Heilungen, und er half Menschen, ein verkorkstes Leben wieder zu sortieren. Menschen hatten etwas davon, dass sie Jesus nachfolgten. Jesus kann beispielsweise einem Familienvater helfen, seine Familie zu retten – trotz Affären, viel Verletzung und Schmerz.

Dieser Traum von Kirche wurde mir fest im Herzen verankert: Was wäre, wenn Kirche den Menschen tatsächlich hilft, Jesus zu erleben und dadurch ein besseres Leben zu haben? Wenn Menschen es sozusagen schaffen, ihr bestes Leben zu leben? Ein Leben, das sie nur mit Jesus an ihrer Seite leben können und möchten. Das ihnen die Chance gibt, mit so viel Frieden und Liebe durch die Stürme des Alltags zu manövrieren, weil sie jederzeit wissen, dass Jesus an ihrer Seite ist. Und das so attraktiv ist, dass andere Menschen den Sog von Gottes Liebe spüren können.

Mit diesem Wunsch kam ich zurück nach Deutschland. Ich bekam die Chance, als Jugendpastor zu arbeiten. Und ich liebe es zu sehen, wie Jesus in das Leben von Menschen tritt und ihnen hilft, ihr bestes Leben zu leben.

Meine Faszination: Damit die Welt sieht ...

Diesen Traum von Kirche finde ich immer noch attraktiv. Ich bin fasziniert davon, was passiert, wenn Jesus in das Leben von jungen Menschen tritt und sie anfangen, ihr bestes Leben zu leben. Diese Idee kommt übrigens aus dem Bibelvers aus Johannes, Kapitel 10, Vers 10: «Jesus kam, damit wir das Leben in voller Fülle haben.» Also frei gesagt: damit wir unser bestes Leben leben. Jeder seins. Du und Gott. Damit die Welt sieht, was Liebe für eine Kraft hat.

Wie sieht das bei uns aus? Die Menschen, die Jesus uns schickt, bringen häufig Verletzungen mit. Wenn wir in Gesprächen herausfinden, was das genau ist, wollen wir ihnen helfen, diese Verletzungen zu Jesus zu bringen. Das ist nicht leicht für die Jugendlichen. Sie bringen etwas zu Jesus und tauschen es am Kreuz aus. Jesus zeigt ihnen etwas, das er verändern, heilen oder reparieren möchte. Sie geben es Jesus ab. Und Jesus legt sein gutes Leben in sie hinein. Eine konkrete Veränderung geschieht. Spürbar für die Jugendlichen und nach einiger Zeit auch sichtbar in ihrem Leben.

Der Einzelne ist wichtiger als tolle Events

Es gibt mittlerweile nichts, was mich mehr fasziniert. Früher war ich begeistert, wenn Gottesdienste attraktiv waren. Mit Theaterstück, Lichtshow, rockiger Musik und allem drum und dran. Mit der Zeit hat sich das geändert. Natürlich brauchen wir tolle Events, wo die Post abgeht. Aber für mich ist der einzelne Jugendliche mit seiner individuellen Geschichte viel wichtiger und faszinierender geworden.

Wenn Jugendliche die Verletzungen aus ihrer Familie mit Jesus klären, erleben, dass Jesus ihnen immer wieder neues Leben schenkt (auch wenn sie in der Gemeinde aufgewachsen sind und sich schon 25-mal bekehrt haben) und dann selbst ihren Weg mit Jesus gehen... das ist unbezahlbar. Da lohnt es sich, durchzuhalten und auch mühevolle Dinge wie Kirchenpolitik, dämliche Kleinkriege in der Gemeinde und unfassbar zähe Sitzungen auf sich zu nehmen. Die Augen eines Jugendlichen, der dich ungläubig anschaut, weil er gerade erlebt hat, wie Jesus in seinem Herzen eine Verletzung geheilt hat, wiegt das alles auf. Mehrfach.

Ich bin total bewegt von diesen Geschichten und nach mittlerweile fast zehn Jahren in der Jugendarbeit hat man häufiger die Chance, diese Veränderung langfristig zu sehen. Ich liebe es, Menschen konkret durch eine schwere Zeit zu begleiten und die Wurzeln ihrer Verletzungen freizulegen, damit Jesus etwas Neues schenken kann. Letztens war ich auf einem Seelsorge-Seminar, und die Referentin sagte sinngemäss: «Bei der Begleitung von Menschen braucht man sich nie zu fragen, ob es noch Wunder gibt. Man erlebt sie jeden Tag.»

Gott hatte mehr auf dem Plan

Diese Intensität von Jugendarbeit kannte ich zu Beginn meines Jugendpastoren-Daseins nicht. Ich habe die Programmelemente, die Strategie und die Predigten geplant. Ich habe erwartet, dass Gott eine Menge tut. Und er hat es getan. Wir sind sehr gesegnet in unserer Jugendarbeit. Aber Gott hatte noch mehr auf dem Plan, als ich mir je vorstellen konnte.

Hätte mir jemand vor 15 Jahren gesagt, dass ich später einmal Jugendpastor sein und Menschen begleiten werde, ihr bestes Leben zu leben, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Aber ich liebe es! Ich kann mir nichts Besseres vorstellen.

Wie immer in meinem Leben habe ich keinen Plan, was Gott als nächstes mit mir vorhat. Aber ich weiss, dass ich als Pastor an der richtigen Stelle bin. Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, dann sehe ich Gottes Handeln. Das habe ich in den Situationen selten im Voraus sehen können. Aber im Rückblick kann ich die Punkte meines Lebens verbinden und bin sehr dankbar. Ich werde weiterhin das tun, was ich nicht tun kann. Und ich bin mir sicher, dass das mein bestes Leben ist.

Tipps für die Gemeindearbeit

Meine lieben Kollegen und Kolleginnen, die ihr angehende Pastoren oder Pastorinnen seid: Ihr habt den besten Job der Welt! Es gibt nichts Besseres, als Menschen auf Jesus hinzuweisen. Und wir dürfen das als Vollzeiter machen. Was für ein Privileg. Hier sind ein paar motivierende Tipps, die mir geholfen haben. Vielleicht helfen sie euch ja auch.

  • - Sei flexibel! Du weisst nicht, worauf du dich einlässt. Selbst wenn du gerade glaubst, dass du genau weisst, was kommen wird: Das ist falsch. Du weisst es nicht. Keine Ausbildung dieser Welt wird dich darauf vorbereiten, was du in deinem Dienst erleben wirst. Das ist kein Mangel an Ausbildung, es ist schlicht nicht möglich, dich auf das facettenreiche Leben im vollzeitlichen Dienst umfassend vorzubereiten. Es ist spannender, umfangreicher und tiefer als man sich vorstellen kann. Und Gott wird dich an Orte bringen, die du jetzt noch nicht kennst. Und das ist gut. Wenn du sie kennen würdest, würdest du vielleicht nicht mehr weitergehen.
  • - Such dir einen Coach! Erlaube einer Person, dass sie dein Leben und deine Arbeit von aussen bewerten darf. Am besten jemand aus einem anderen Bereich, zum Beispiel aus der Wirtschaft. Gott benutzt solche Menschen, um dich zu einem besseren Pastor zu machen.
  • – Lebe gesunde Beziehungen! Dein ganzer Job dreht sich um Beziehungen. Deine gelebten Beziehungen sagen mehr aus als alles, was du sagst. Dazu gehören natürlich dein Partner, deine Familie und die Beziehungen in deinem Dienst. Aber baue bewusst Beziehungen zu Freunden ausserhalb deiner Gemeinde. Ich treffe mich einmal im Monat mit einem Freund aus der gemeinsamen Jugendzeit. Er wohnt in einer anderen Stadt. Und mit ihm kann ich Dinge aus meiner Gemeinde besprechen, ohne dass er davon direkt betroffen ist.
  • – Baue ein Team auf! Du kannst nicht alles alleine machen. Und das brauchst du auch nicht: Gott begabt andere Menschen und deine wichtigste Aufgabe ist es, dieses Team zu bauen und zu begleiten. Diene deinem Team mehr als allen anderen. Es wird nichts Genialeres geben, als mit einem Team von Freunden gemeinsam Gemeinde zu bauen.

  • – Vergleiche nie! Grösser ist nicht besser. Besser ist besser. Unter Pastoren grassiert eine Seuche: Die Sich-Vergleichen-Epidemie. Ich war auch schon infiziert und man ist dagegen nie immun. Sie kommt über einen, raubt einem sämtliche Energie, verursacht Streit und hinterlässt grosse Wunden. «Die Jugendarbeit von XY ist aber grösser/besser/schneller/stärker/hat mehr Heiligen Geist/besseres Programm und der Jugendleiter ist 'the sexiest man alive'...» Wenn dich dieser Virus infiziert hat, werde ihn los! Bekämpfe ihn! Vergleiche nicht! NIE! Gott stellt dich an deinen Platz. Andere an ihren Platz. Deine Aufgabe ist es, die Jugendlichen zu Jesus zu bringen, die er dir über den Weg schickt. Wenn es Zeit ist, den Platz zu wechseln, wird Gott dich rechtzeitig informieren.
  • – Mache Fehler! Probiere aus! Wissen ist nicht alles. Weisheit (angewandtes Wissen) ist mehr wert. Du darfst ja gerne aus Fehlern anderer lernen, aber du wirst auch eigene Fehler machen. Das ist gut so. Solange du nicht den gleichen Fehler immer wieder machst. Lerne aus deinen Fehlern und dann mach weiter. Mein Coach sagte einmal: «Erfolg ist, wenn man einmal mehr aufsteht als hinfällt.»

Zur Person

Sören Koch, Jg. 1976, verheiratet mit
 Anne, ist Pastor der OrangeChurch in Essen. Nach dem Abitur hat
 er seinen Zivildienst bei «Wort des
 Lebens» am Starnberger See absolviert. Danach besuchte er für ein
 Jahr die Bibelschule Wiedenest. Er studierte Theologie an der Freien Theologischen Hochschule Giessen, bevor er für 2,5 Jahre in der Jugend- und Studentenarbeit der «Saddleback Church» in USA mitarbeitete.

Zur Webseite:
LebDeinBestesLeben

Zum Thema:

Datum: 13.01.2016
Autor: Sören Koch
Quelle: Livenet/ IGW / neufeld

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