Fund zeigt neues Jesusbild
Die verschiedenen Verfilmungen des Lebens von Jesus unterscheiden sich gewaltig. In einem Detail sind sich aber alle einig: Jesus wird mit langen Haaren und Vollbart dargestellt. Warum eigentlich?
Der Fund
In der Nähe des südspanischen Linares lag das antike Castulo, wo sich bis zum Mittelalter ein Bischofssitz befand. In einem offensichtlich sakralen Gebäude der Stadt entdeckten Archäologen des Projekts «Forum MMX» bei Grabungen einen Bildteller aus Glas. Marcelo Castro, der Projektleiter, beurteilte den Fund überschwänglich: Die Wissenschaft müsse nun «die Geschichte der frühen Christenheit in Spanien neu schreiben». Der Teller aus dem 4. Jahrhundert diente wahrscheinlich bei frühchristlichen Abendmahlsfeiern dazu, das Brot aufzunehmen. Er misst 22 Zentimeter im Durchmesser. Seine Einzelteile sind in hervorragendem Zustand, über 80 Prozent des Artefakts sind erhalten.
Die Darstellung von Jesus
Das eingravierte Bild auf dem Teller stellt Jesus dar, wahrscheinlich flankiert von Petrus und Paulus.
Die spanische Zeitschrift ABC schreibt: «Die Szene findet in den himmlischen Sphären statt, eingerahmt von zwei Palmen. Diese stehen in der christlichen Ikonographie unter anderem für Unsterblichkeit, das Leben nach dem Tod und den Himmel.» Besonders eindrücklich ist die Darstellung von Jesus: Er trägt die Toga eines Philosophen und wird mit kurzen Haaren und bartlos abgebildet.
Was uns heute fremdartig vorkommt, ist für frühe Christusdarstellungen normal: Auf den Fresken der Domitilla-Katakomben in Rom (ebenfalls 4. Jahrhundert) erscheint Jesus zum Beispiel genauso bartlos und mit römischer Kurzhaarfrisur wie auf dem spanischen Teller. Viele Historiker halten dieses Aussehen für wahrscheinlich, weil es damals typisch für gepflegte Menschen der jüdischen Mittelschicht war. Die Bibel selbst schweigt beharrlich zu seinem Aussehen, was allerdings nicht verhindern kann, dass sich jeder seine eigene bildliche Vorstellung von Gottes Sohn macht – meist genährt von Krippendarstellungen, Kinderbibeln und Jesusfilmen.
Datum: 11.10.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet