Natascha Wigert: «Ich habe gelernt, dass jeder kreativ sein kann»
Wir treffen uns fürs Interview in einem Café in Winterthur. Als ich zur Tür hereinkomme, ist Natascha schon da. Die Begrüssung ist herzlich. Wir kennen uns von früher aus der Sonntagsschule und sind seither Kolleginnen geblieben. Doch heute bin nicht nur zum Plaudern da. Ich möchte herausfinden, was wirklich hinter ihrer Leidenschaft steckt.
Natascha, ich durfte bereits ein Fotoshooting bei dir machen. Was begeistert dich am Fotografieren?
Natascha Wigert: Mir
gefällt es, Erinnerungen zu schaffen und Emotionen einzufangen. An der
Personenfotografie fasziniert mich besonders, dass man von jeder Person gute
Bilder machen kann. Ich schätze den Kontakt mit den Leuten sehr. Ihnen dabei zu
zeigen, dass sie schön sind, das begeistert mich.
Durch deine Fotoshootings, beispielsweise an Heiratsanträgen oder
Hochzeiten, hältst du einmalige und für die Beteiligten sehr emotionale
Erlebnisse fest. Was löst das bei dir aus?
Solche Momente bringen bei mir Begeisterung, Emotionen und Wertschätzung hervor.
Ich finde es mega schön und fühle mich geehrt, dass ich bei so wichtigen
Ereignissen dabei sein darf. Da ich sowieso emotional veranlagt bin, zelebriere
ich diese Momente sehr. In solchen Situationen merke ich, dass das, was ich
mache, voll meine Leidenschaft ist und ich total darin aufgehe. Dann spüre ich:
Ich bin momentan am richtigen Ort.
Bei den Fotos und Designs, die du machst, geht es um Ästhetik.
Fordert es dich heraus, dass du durch deine Arbeit so stark auf Äusserliches
fokussiert bist?
Ich sage immer: Jeder ist auf seine Art und Weise schön. Das ist mir sehr
wichtig. Ich setze mir bei den Shootings jeweils zum Ziel, den Leuten zu
vermitteln, dass sie es gut machen und gut aussehen. Dabei beziehe ich mich
nicht nur aufs Aussehen, sondern auch auf ihre Gesten und darauf, wie sie sich bewegen.
Viele fühlen sich vor dem Shooting unsicher vor der Kamera. Das ist normal.
Deshalb lege ich Wert darauf, dass sie sich bei mir wohlfühlen. Somit bin ich
ebenfalls aufs Innere fokussiert. Für mich ist es enorm wichtig, dass jeder
nachher Fotos hat, bei denen er findet: «Hier bin ich gut drauf.»
Gibt es das perfekte Bild?
«Perfekt»
ist vielleicht ein doofes Wort. Das ist relativ, was heisst perfekt? Es gibt
viele schöne Bilder. Vielleicht ist es für mich perfekt, aber für jemand anders
nicht. Ich würde es deshalb eher mit dem Wort «exzellent» beschreiben. Es entstehen definitiv bei allen Shootings Fotos, bei
denen ich sagen muss, die sind mega cool und auf ihre Art super. Für mich muss
nicht jedes Detail stimmen, sondern das Bild muss als Ganzes überzeugen.
Kreativität ist in deinem Leben sehr wichtig. Was für eine Rolle
spielt Gott dabei?
Ich
habe gelernt, dass jeder kreativ ist, dass jeder kreativ sein kann. Gott ist
der Schöpfer der Kreativität. Er ist der Kreativste. Wir sind schon kreativ,
das müssen wir entdecken. Es ist etwas, das sich dann auch entwickeln darf. Ich
merke auch, dass ich gerade beim Fotografieren die Schöpfung von Gott sehr
stark kennenlerne, weil ich vor allem draussen shoote. Deshalb beschäftige ich
mich sehr mit der Natur. Ich weiss zum Beispiel, wann was blüht und wann Sonnenuntergang
ist. Die Natur zeigt für mich mega Gottes Kreativität. Am Sonntag in die Kirche
zu gehen, ist dabei für mich ein wichtiger Bestandteil. Hier kann ich Energie
tanken und werde inspiriert, was mir neue Denkanstösse für Kreatives gibt.
Inwiefern glaubst du, dass du durch deine Arbeit einen
Unterschied im Leben von anderen machen kannst?
Mir ist wichtig, den Leuten Komplimente mitzugeben. Ich versuche, Freude
auszustrahlen und ihnen das auf eine positive Art weiterzugeben. Als Christin
bin ich auch sehr offen was Gespräche über den Glauben anbelangt. Ich versuche,
die Menschen nicht anhand ihrer Taten zu beurteilen, sondern sie so zu sehen,
wie Gott sie sieht. Vor fast jedem Shooting und jeder Hochzeit bete ich, wobei
ich die Leute unter Gottes Segen stelle. Das bedeutet mir viel. So nach dem
Motto: Love your neighbour (dt. Liebe deinen Nächsten).
Was rätst du jemandem, der sich vielleicht aus Angst vor Versagen
nicht getraut, seine Gaben auszuleben?
Versagen gehört dazu, um sich weiterzubilden und weiterzukommen. Ich rede hier
aus Erfahrung. Nach jedem Shooting finde ich Dinge, die ich anders oder besser hätte
machen sollen. Das hat auch Vorteile, denn anhand dessen kann ich mich
verbessern. Wir sollten unser Versagen nicht als negativ und beängstigend sehen,
sondern als etwas, woraus wir Positives ziehen können.
Wie sieht dein nächster Schritt aus?
Mein
Herzenswunsch ist ein cooles Atelier, das ich für Indoor-Shootings einrichten
kann. Ich möchte einen Ort schaffen, an dem ich meine Kreativität ausleben kann
und wo sich auch andere kreative Leute treffen können. Ich kann mir auch
vorstellen, Fotografieworkshops anzubieten. Kreativität hat viel damit zu tun,
das Normale, was typisch ist, wegzulassen und dafür etwas Aussergewöhnliches zu
wagen. Ich möchte in Zukunft noch viel mehr «crazy» Sachen ausprobieren. Mein
nächster Schritt ist also, einen geeigneten Raum zu finden, der all dies
ermöglichen würde.
Zur Webseite:
Natascha Wigert
Zum Thema:
Star-Fotograf Cowart: Seine Linse gehört Obama und Swift … sein Herz Gott!
Alternative Künstler-Events: Wie göttlich ist meine Kreativität?
Kann Kirche Kunst?: Ein Plädoyer für Kunst und Kreativität in der christlichen Welt
Datum: 29.06.2019
Autor: Annina Morel
Quelle: Livenet