Am Sinai probt der IS für ein «christenreines» Ägypten
Angela Merkel forderte in Kairo von Staatschef Abdel Fattah al-Sisi einen wirksamen Schutz seiner christlichen Minderheit vor den Angriffen fanatischer Islamisten, besonders der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Anschliessend liess sich Merkel vom koptischen Kirchenoberhaupt Tawadros II. über das Ausmass der jüngsten Ausschreitungen berichten: «Diese dürfen besonders euch, die ihr den Namen 'Christ-Demokraten' trägt, nicht gleichgültig bleiben», mahnte der Patriarch.
Muslimbrüder und Wüsten-Dschadisten kooperieren mit dem IS
Der IS ist auch in Ägypten aktiv, seit sich dort Muslimbrüder und Wüsten-Dschadisten mit ihr vereinigt haben. Nach vereinzelten, doch schon gezielten Anschlägen auf Geistliche an der Sinai-Mittelmeerküste folgte in der zweiten Februarhälfte eine ausgedehnte Mord- und Vertreibungskampagne gegen alle dortigen Christen. Wer nicht umgebracht wurde, suchte das Heil in der Flucht. Die Koptische-Orthodoxe Kirche, zu der die meisten Sinai-Christen gehören, hat in Ismailia am Suezkanal ein Aufnahme- und Betreuungszentrum eingerichtet. Dort suchen auch Anfang März immer neue Flüchtlinge Zuflucht.
Zufluchtsort für verfolgte Christen
Der nördliche Sinai hat sich seit seiner Rückgabe an Ägypten 1982 nach dessen Frieden mit Israel zu einem gesuchten Ansiedlungsgebiet von bedrängten Christen aus dem Niltal entwickelt. Da es am Sinai nach 15 Jahren Israel fast keine ansässigen Muslime mehr gab, hatten es die christlichen Neuankömmlinge dort weder mit einem Muslim-Brüder-Untergrund wie in Kairo und anderen grossen Städten noch mit ländlichen Salafisten-Banden mehr zu tun. Die Zuwanderer kamen entweder aus dem städtischen Ballungsraum von Ägypten – vor allem Händler, Handwerker, Ärzte, Apotheker und Techniker – oder waren arme christliche Bauern vom Oberen Nil.
Doppelt unter Druck: die evangelischen Kopten
In beiden Gruppen befand sich eine relativ grosse Zahl von evangelischen Kopten, die im 19. Jahrhundert von presbyterianischen Missionaren für eine Reformation in ihrer stark traditionalistischen orthodoxen Kirche gewonnen wurden. Diese hat bei den Kopten – ethnischen Nachkommen der alten Ägypter – viel Altorientalisches bewahrt wie Magie und sogar Frauenbeschneidung.
Da die koptischen Reformierten und Evangelikalen oft nach wie vor auch von ihren orthodoxen Mitchristen angefeindet werden, zog es sie besonders nach dem Sinai, wo sie sich mehr Akzeptanz erhofften. Jetzt stehen sie auch dort extrem im Visier der IS-Terrorristen, da sie auch unter Muslimen evangelisieren, was die koptischen Orthodoxen nicht wagen.
Beduinenchristen
Eine weitere besonders gefährdete Gruppe sind Beduinenchristen bei At-Tur an der westlichen Rotmeeerküste des Sinai. Bei ihnen handelt es sich um eine kleine Schar, die von der grossen, doch heute fast vergessenen vorsislamischen Evangelisation unter den Arabern übrig geblieben ist. Sie stehen unter dem Schutz des für seine Bibelhandschriften berühmten Katharinen-Klosters. Dieses wird im Ernstfall nichts anderes tun können, als sie hinter seine schützenden Mauern aufzunehmen.
Zum Thema:
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Labile Religionsfreiheit: Die Christen im Ägypten Al-Sisis
Christen im Schatten: Was wird aus Ägypten?
Datum: 03.03.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet