Ein Nährboden für Gewalt?
In Wien beschäftigten sich über Pfingsten Fachleute aus der ganzen Welt aus christlichen Kirchen und aus nichtchristlichen Religionen mit dem Thema «Religion, Werte und Spiritualität: Ihr Einfluss auf Politik und Sicherheit». Veranstalter war die Initiative «Religion, Diplomatie und internationale Beziehungen», gegründet vom US-Baptistenpfarrer Paul Raushenbush und Prof. Wolfgang Danspeckgruber von der Princeton-University.
Die Beratungen erfolgten hinter verschlossenen Türen, doch gaben öffentliche Erklärungen Aufschluss über die gewonnenen Einsichten. Die Schweiz war durch Raphael Bez von der Eidgenössischen Mission bei der Organisation für Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) vertreten.
Religion, Friede und Gewalt
Von besonderem Interesse waren Vorträge amerikanischer Fachleute über besondere Aspekte der Religion-Gewalt-Problematik. Maya Aronoff referierte über «Der Weg des gerechten Mannes: Der Einfluss evangelischen Christentums auf die Nahoststrategie der US-Präsidenten Jimmy Carter und George W. Bush». Beide verstanden sich als «Wiedergeborene», die sich die Botschaft des Evangeliums erst in der Mitte ihres Lebens zu eigen gemacht hatten. Carter sah sich als Friedensbringer, was ihn zum Baumeister der Aussöhnung von Camp David zwischen Ägypten und Israel machte. Bush fühlte sich berufen, dem Bösen in dieser Welt – verkörpert vom Irak Saddam Husseins – auch politisch und militärisch entgegenzutreten.
Christen und Araber brauchen ein säkulares Israel
Die Notwendigkeit für Israel, sich nicht auf die Dauer als religiös definierter «jüdischer», sondern als säkularer «israelischer» Staat zu verstehen, unterstrich Miriam Friedman. Nur ein solcher werde auch messianischen Juden und Christen echte Heimat bieten. Dasselbe gelte für die Palästina-Araber, sofern sie sich nicht dem aggressiven Islamismus der Organisationen Hamas oder Dschihad verschrieben haben.
Die Hauskirchen und 7'000 humanitäre NGOs
Von besonderem Interesse waren auch die Ausführungen von Eric Wong über die zentrale Rolle chinesischer Hauskirchen auf die Aktivitäten von NGOs humanitär-demokratischer Ausrichtung in der Volksrepublik China. Unter dem Titel «Der religiöse Impuls für die Schaffung eines Freiraums christlicher NGOs unter dem Xi-Regime» konnte er auf die weitgehend im Westen unbekannten Aktivitäten von rund 7'000 im wesentlichen von Hauskirchen getragenen Nicht-Regierungs-Organisationen in China hinweisen. Ihre Anliegen reichen von der AIDS-Vorbeugung bis zur Zulassung christlicher Unterweisung im öffentlichen Bildungswesen.
Der Unterschied zwischen Christentum und Islam
Als Bilanz der Konferenz konnte Prof. Dansbeckgruber festhalten, dass Religionen an sich keinen Nährboden für Gewalt und Terrrorismus darstellen. Sie können aber je nach ihrem Selbstverständnis leichter oder nur auf Umwegen dafür instrumentalisiert werden. Letzteres gelte für das Christentum, während der Islam zu einer relativ leichten Beute für aggressive Auslegung und Anwendung wird.
Zum Thema:
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Datum: 08.06.2017
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet