Bulgarien nimmt umstrittenes Religionsgesetz zurück
Eine geplante Verschärfung des Religionsgesetzes in Bulgarien (Livenet berichtete) kommt nun doch nicht. Die Gesetzesänderung, die vor allem kleinen Religionsgemeinschaften – das sind im orthodox und muslimisch geprägten Bulgarien vor allem Katholiken und Evangelikale – das religiöse Leben deutlich erschwert hätte und von Experten als menschenrechtswidrig angesehen wurde, stand monatelang in der Kritik. Nach massiven Protesten lenkten die Politiker in Sofia Ende vergangenen Monats ein: Das bulgarische Parlament beschloss am 21. Dezember eine Neufassung des Religionsgesetzes.
In seiner ursprünglichen Fassung hätte es das neue Gesetz nur Religionsgemeinschaften mit einer Mitgliederzahl von mehr als einem Prozent der Bevölkerung erlaubt, konfessionelle Schulen zu führen – ein De-facto-Verbot von katholischen und evangelikalen Schulen. Auch hätten Ausländer nur mehr nach Sondergenehmigung durch die Religionsbehörde und gemeinsam mit einem bulgarischen Geistlichen Gottesdienste halten dürfen. Überhaupt wären Gottesdienste lediglich in eigens dafür registrierten Gebäuden erlaubt gewesen – eine Bestimmung, die der Wiener Religionsrechtler Richard Potz im pro-Interview als «verfassungswidrig» bezeichnet hatte.
Proteste in Sofia
Dass all diese Einschränkungen nun doch nicht gekommen sind, ist vor allem massiven Protesten unter Bulgariens Christen zu verdanken, die sich gegen Ende vergangenen Jahres zuspitzten: So gingen mehrere Hundert Christen im November und Dezember vergangenen Jahres insgesamt achtmal in Sofia auf die Strasse. Wie die englischsprachige Onlinezeitung Evangelical Focus berichtet, schenkten die Demonstranten am Abstimmungstag dabei jedem der 240 Abgeordneten eine Bibel mit persönlicher Widmung.
Kritik auch vom Europarat
Doch auch von weltlichen Institutionen gab es heftige Kritik am Gesetzesentwurf, allen voran vom Europarat. So zitiert Evangelical Focus Fredrik Sundberg, der im Europarat mit der Vollstreckung der Urteile des EGMR befasst ist: Das neue Religionsgesetz würde es kleinen religiösen Gemeinschaften unmöglich machen, Rechtspersönlichkeit zu erlangen, «was Bulgarien in eine Situation des Widerspruchs zu den Verpflichtungen aus Artikel 9 und 11 (Anm. d. Red.: Art. 9 wahrt die Religionsfreiheit, Art. 11 die Versammlungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention bringen würde».
Für das zuständige Parlamentskomitee sei diese Kritik aus den Reihen des Europarats ein Wendepunkt gewesen, der dieses zum Einlenken gebracht habe. «Ob es wegen des immer stärker gewordenen internationalen Drucks war oder wegen der acht Demonstrationen von Evangelikalen oder vielleicht wegen der Tausenden Gebete gegen das Gesetz – die Verantwortlichen liessen jede einzelne der restriktiven Bestimmungen aus der ursprünglichen Version fallen», heisst es bei Evangelical Focus.
Wobei «fast jede» genauer wäre, denn eine umstrittene Bestimmung wurde am 21. Dezember doch beschlossen: Die beiden grossen Religionsgemeinschaften, also Orthodoxie und Islam, bekommen in Zukunft Geld aus der Staatskasse. «Wir sind als evangelikale Christen der Meinung, dass Staat und Kirche vollkommen getrennt sein sollten und dass die Regierung religiösen Organisationen kein Geld geben sollte», heisst es dazu von einem führenden Verantwortlichen der Bulgarischen Evangelischen Allianz.
Erfolg gefeiert: «Preist den Herrn dafür!»
Insgesamt haben die Entwicklungen mit dem Beschluss des abgeänderten Gesetzesentwurfs für Bulgariens Christen aber ein äusserst erfreuliches Ende genommen. Weiter heisst es aus Allianz-Kreisen: «Wir sehen das als grossen Sieg. Unsere Bemühungen, die von Tausenden Briefen verschiedener internationaler Organisationen unterstützt wurden, haben gefruchtet. Preist den Herrn dafür!»
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Datum: 10.01.2019
Autor: Raffael Reithofer
Quelle: PRO Medienmagazin | www.pro-medienmagazin.de