Tomas Halik: «Gleichgültige Haltungen sind nicht unveränderbar»
Papst Benedikt XVI hat der tschechischen Kirche geraten, auf Bildung und intellektuellen Dialog mit der agnostischen Gesellschaft zu setzen. Doch der katholische Pfarrer und Soziologieprofessor Tomas Halik setzt auf eine geistliche Wiederbelebung. Er schreibt dazu in seinem neuen Buch «Die Zeit der leeren Kirchen / Von der Krise zur Vertiefung des Glaubens»: «Heute sehe ich als noch viel wichtiger die Kultivierung des persönlichen geistlichen Lebens und die persönliche geistliche Begleitung an.» Er ist sich bewusst, dass dazu auch Vorarbeit geleistet werden muss.
Prä-Evangelisierung
Um den Boden für eine «Neuevangelisierung» zu bereiten, plädiert er daher für eine «Prä-Evangelisierung» in Form einer «systematischen Pflege der geistlichen Kultur der Einzelnen in der Gesellschaft». Er ist sich bewusst, dass der Einzelne konkret auf seine persönliche Situation und seinen geistlichen Zustand angesprochen werden muss. Er plädiert für eine Wende vom «oberflächlichen konformen Leben (der Christen) hin zu einer Kultur der geistlichen Unterscheidung, zur Verantwortung für sich selbst, für die anderen und für die gemeinsame Umwelt».
Der biblische Boden
Was etwas abgehoben klingt, bringt Halik auf biblischen Boden, wenn er auf das vierfache Ackerfeld verweist. Und bemerkenswert: Er geht nicht davon aus, dass die vier verschiedenen Böden einfach gegeben sind, sondern dass die Kirche diese bearbeiten soll. Das Stichwort dazu lautet demnach: «Prä-Evangelisierung».
Halik erwähnt dazu ein Schlüsselerlebnis, das ihn zum Nachdenken über die Zukunft der Kirche brachte: Als er für eine Gottesdienst-Videoaufnahme während des ersten Corona-Lockdowns vor seiner leeren Kirche stand, fuhr ihm durch den Kopf: Könnten die leeren Kirchen die baldige Zukunft der Kirche sein? Die Konsequenz für ihn: Er musste auf der Basis des Evangeliums Gegensteuer geben und für eine Wende einstehen.
Was die Pandemie auslösen kann
Eine Ermutigung dazu war für ihn wiederum die Pandemie. Er hatte während dieser Zeit erfahren, dass Menschen, die dem Glauben und der Kirche gegenüber ziemlich gleichgültig geworden waren, plötzlich wieder für geistliche Themen sensibilisiert wurden. Sie interessierten sich mit einem Mal dafür, was Christen zu dieser schwierigen Lage sagen. Und er schloss daraus: «Ihre gleichgültigen beziehungsweise distanzierten Haltungen sind also nicht unveränderbar.»
Dabei ist ihm wichtig, dass die Heimsuchung von den Christen nicht einfach als Strafe Gottes bezeichnet wird. Das wäre ein Missbrauch des Namens Gottes, so Halik.
Gereiftes
Was Christen zu sagen haben, erläutert er sodann in einer Predigtreihe, die von den Sonntagen der Fastenzeit bis hin zu Pfingsten reicht. Jede dieser Predigten bringt Impulse, die auf einem gereiften Denken basieren. Sie sind Ausdruck einer Veränderung, die der Pfarrer selbst in der Zeit der Pandemie erfahren hat.
Zum Buch:
Die Zeit der leeren Kirchen
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Datum: 09.03.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet