Richard Dawkins Buch kann zum Glauben verführen
Die amerikanische Autorin und Akademikerin Judith Babarsky las auf Empfehlung ihrer Schwiegertochter Dawkins' Buch «Der Gotteswahn» (Originaltitel «The God Delusion»). Doch anstatt sich aufgeklärt zu fühlen, empfand sie das Lesen als Zeitverschwendung. Auf dem Blog deadphilosopherssociety.com zitiert sie aus einer Amazon-Rezension zum Buch: «Ich begann es zu lesen, weil ich eine logische, skeptische, ja wissenschaftliche Kritik über Religion erwartete. Stattdessen fand ich [...] Erzählstränge mit abwertenden Adjektiven, die vorgeben, Argumente zu sein, eine unglaubliche arrogante Einstellung sowie eine Haltung moralischer Gleichwertigkeit, unfähig zwischen Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Religionen zu unterscheiden. [...] Das ist keine akademische Analyse, das ist schlechter Journalismus.»
Babarsky fährt fort: «[Das Buch] gewährte mir keine überzeugenden Argumente zur Existenz oder Nicht-Existenz von Gott. In der Tat war Dawkins nicht nur respektlos gegenüber Meinungen, die von seiner abwichen, ich fand seine Aussagen über Jesus so schlecht begründet, dass ich mich entschloss, etwas über Jesus Christus zu erfahren.»
Das Glaubenssystem der Atheisten
Die Autorin bewegte sich zwar nach eigenen Angaben in einem religiösen Umfeld, hatte sich aber zuvor nicht besonders in Glaubensfragen vertieft. «Dawkins forderte mich aus meiner Komfortzone heraus – ich musste mich ernsthaft fragen, was mich von einer vollen Hingabe an den Glauben abhielt. Das Buch 'Der Gotteswahn' ist als Zeugnis von Dawkins' Glaubenssystem geschrieben (das ich fundamentalistischen Atheismus nenne); der Autor pickt die Rosinen passender Zitate heraus, um zu beweisen, dass berühmte Wissenschaftler (wie zum Beispiel Einstein) unmöglich so unwissend sein konnten, an einen übernatürlichen Gott zu glauben – egal was sie im Gegenteil wirklich sagten. Kein Mensch mit einigermassen Intelligenz könne überhaupt an einen übernatürlichen Gott glauben. Dawkins predigt zu seinem Chor von Atheisten, und – wenn man den vielen Rezensionen glaubt – lieben sie das. (…) Er geht davon aus, dass jeder, der mit den Voraussetzungen seines Buches nicht einverstanden ist, im Grunde ein Idiot ist. Nun, ich werde nicht gern eine Idiotin genannt!»
Glaube – mehr als nur Gefühle
Sie realisierte für sich, dass sie «nicht besser als Dawkins» sei, da ihr Glaube rein auf Gefühlen basierte. Ihre Recherchen brachten sie zu der Erkenntnis: «Indem ich Dawkins Lektüre widerlegen und mich selbst bilden wollte, [...] entdeckte ich den Gott und Menschen Jesus Christus. Die katholische Sicht erzeugte nicht nur Emotionen bei mir, sondern, und das ist vielleicht viel wichtiger für mich, sie war intellektuell ehrlich.»
Atheist kommt zum Glauben
Der Herausgeber der britischen Zeitung «The Telegraph», Damian Thompson, griff Babarskys Geschichte auf und erweiterte sie. Er schreibt in einem Artikel «Führt Richard Dawkins Menschen zu Jesus?» über einen Schulfreund, der ähnliche Erlebnisse mit Dawkins' «Der Gotteswahn» gemacht habe wie Judith Babarsky. Der Schulfreund namens Michael, den der Autor als «Atheisten seit Jahrzehnten» beschreibt, habe durch Dawkins 2006 erschienenes Buch begonnen, seinen Atheismus zu hinterfragen – und zum christlichen Glauben zurückgefunden.
Pseudowissenschaftliche Spekulationen
Dass das Buch von Dawkins bei denkenden Menschen eher das Gegenteil auslösen kann, entspricht auch der Beobachtung von Alister McGrath, einem Oxforder Kollegen von Dawkins. In seinem Buch «Der Atheismus-Wahn» fasst er zusammen: «Erstaunlicherweise finden sich kaum wissenschaftliche Analysen in [Richard Dawkins'] 'Der Gotteswahn'. Stattdessen gibt es eine Menge pseudowissenschaftlicher Spekulationen, gespickt mit allgemeiner Religionskritik, die grösstenteils aus älterer atheistischer Literatur entliehen ist.»
Der Journalist Guido Horst kommt in der Zeitung «Tagespost» vom 1.12.2007 zum knappen Schluss: «Um den Atheismus ist es schlecht bestellt. Wenn das, was Richard Dawkins in seinem Weltbestseller 'Der Gotteswahn' zu bieten hat, Fortentwicklung und aktueller Höhepunkt von über zweihundert Jahren Religionskritik und Gottesleugnung ist, dann kann der gottgläubige Mensch tief durchatmen und getrost davon ausgehen, dass er – und nicht der Atheist Dawkins – auf dem rechten Wege ist.»
Datum: 02.05.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch / Pro Medienmagazin