«In dem Moment dachte ich, am Glauben muss etwas dran sein…»
Ryan Longmuir wächst in der schottischen Stadt Cumbernauld auf. Mit nur zwölf Jahren nimmt er zum ersten Mal mit Freunden Drogen. Er war einfach neugierig. «Ich probierte alles aus: Kokain, Valium, Ecstasy, Speed, Heroin… Ich ging zwei, drei Tage lang auf Sauftouren und nahm fünf bis zehn Ecstasy-Tabletten in einer Nacht», erinnert sich der heute 37-Jährige.
Schon bald nimmt Ryan Drogen einfach, um sich «normal» zu fühlen. «Im Alter zwischen 15 und 20 Jahren nahm ich jeden Tag Drogen zu mir.» Mit 16 schmeisst er die Schule und beginnt, mit Drogen zu handeln. Jede Woche dealt er Drogen im Gegenwert von mehreren tausend Euro, ihm ist klar, dass er ein «Gangster-Drogen-Dealer im grossen Stil» werden wird.
Neuanfang in Neuseeland?
Und dennoch macht ihn dieser Lebensstil nicht glücklich. Mit 20 Jahren wandert er nach Neuseeland aus, er sucht einen Neubeginn. Trotzdem schickt er sich von Schottland aus ein Päckchen mit 100 Ecstasy-Tabletten zu – und wird vom Zoll aufgespürt. 100 Tabletten, das bedeutet Gefängnis! Ryan ist verzweifelt und ruft eine Freundin in Schottland an. Sie sagt, sie wird für ihn beten, ermutigt ihn selbst aber auch dazu zu beten. «Ich dachte, 'du tickst ja nicht mehr richtig', aber dann entschloss ich mich doch, es zu probieren. Ich kniete mich neben mein Bett und sagte: 'Ich glaube nicht, dass es einen Gott gibt, aber wenn du doch real bist, dann zeig mir, dass es dich gibt und dann werde ich an dich glauben!'»
Veränderung
Ryan wird gegen eine Kautionszahlung freigelassen, muss sich nun alle zwei Tage bei der Polizei melden. Den Drogenkonsum kann er aber einfach nicht einstellen. Dann trifft er zwei Frauen, die per Anhalter durch Neuseeland reisen. Sie laden ihn zum Mittag ein, nehmen ihn mit zur Kirche und erlauben ihm sogar, bei ihnen in der Wohnung einzuziehen. Die offene Haltung der zwei Christinnen spricht Ryan an. «In dem Moment dachte ich, da muss doch etwas dran sein, denn warum sonst würden zwei mir völlig Unbekannte so begegnen? Das löste in mir die Veränderung aus!»
Mit Gott, ohne Drogen
Ryan entscheidet sich für ein Leben mit Gott – und sein Leben nimmt eine 180-Grad-Wendung. Mit einem Mal hat er kein Verlangen mehr nach Drogen und wirft sämtliche Drogen ins Meer. Seither hat er keine Drogen mehr angefasst. «Ich weiss, dass die meisten Leute, die drogenabhängig waren, es nicht so erleben. Sie sind meistens für eine gewisse Zeit clean und haben dann einen Rückfall. Jeder hat seine eigene Geschichte, aber bei mir war es so!»
Die Gefängnisstrafe von Ryan wird zwar aufgehoben, doch sein Visum wird annulliert und so kehrt er im Mai 2000 wieder nach Schottland zurück. Hier integriert er sich in die evangelische Freedom City Church in Cumbernauld, zu der er auch heute noch gehört, lernt seine heutige Frau kennen und heiratet.
Der Sprung ins Geschäftsleben
Die Gemeinde ist letztlich auch das Sprungbrett, das ihn in einen erfolgreichen Geschäftsmann verwandelt. Denn nachdem er zunächst mit drogen- und alkoholabhängigen Menschen arbeitet, wird er nach einer Budgetkürzung arbeitslos. Die Gemeindeleitung bietet ihm an, das Gemeinde-Café, zugehörig zum gemeindeeigenen Konferenzzentrum, zu übernehmen. Also gründet Ryan die Catering-Firma «Regis Banqueting».
«Ich war jung und naiv. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiss, hätte ich vermutlich nie damit begonnen. […] Ich musste meine Schwiegermutter anrufen und sie fragen, wie man eine Pastete macht.»
Arbeitgeber von Ex-Abhängigen
Die ersten drei Jahre sind schwer, doch danach läuft es immer besser. Das Unternehmen gewinnt diverse Auszeichnungen und Preise und gehört heute zu den besten im Land, so dass der junge Chef sogar von BBC interviewt wurde. 65 Angestellte arbeiten für Ryan, viele von ihnen sind selbst ehemalige Drogenabhängige oder haben in der Vergangenheit Haftstrafen abgesessen. Aber Ryan weiss, dass sein eigenes Leben ganz anders hätte aussehen können und so möchte er auch anderen eine Chance geben und sie an seinem Erfolg teilnehmen lassen.
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Datum: 15.12.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / BBC