Für biblische Archäologie gelebt

«Mister Qumran» Hershel Shanks ist tot

Wenige kennen Hershel Shanks mit Namen, doch viele profitieren von seinem Einsatz für eine allgemeinverständliche Archäologie in Israel. Unter anderem bei der Veröffentlichung der Schriftrollen vom Toten Meer spielte er eine grosse Rolle. Unermüdlich kämpfte er gegen deren wissenschaftlichen Verschluss. Jetzt starb Shanks.
In den Höhlen von Qumran am Toten Meer wurden die Schriftrollen entdeckt.
Hershel Shanks

Hershel Shanks wurde 1930 in Pennsylvania (USA) geboren. Sein Vater betrieb ein Schuhgeschäft, doch Hershel wusste schon früh, dass er es nicht übernehmen wollte. Stattdessen studierte er Englisch, Soziologie und Jura. Fast dreissig Jahre lang praktizierte er als Anwalt. Dann nahm er sich eine Auszeit von einem Jahr und reiste mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Töchtern nach Israel, um sich auf die Suche nach seinen jüdischen Wurzeln zu machen und einen Roman über König Saul zu schreiben. Das war 1972.

Ein Sabbatjahr mit Folgen

In Israel stiess Shanks überall auf historische Stätten und Ausgrabungen, und er begann, sich für biblische Archäologie zu interessieren. Diese Profession sollte ihn nie wieder verlassen. Damals wurde gerade das davidische Jerusalem ausgegraben. Shanks half bei den Ausgrabungen und schrieb ein Buch über die ersten Funde: «The city of David – a guide to biblical Jerusalem» (Die Stadt Davids – ein Führer zum Jerusalem der Bibel). Dieses Buch inspirierte übrigens den südafrikanischen Zionisten Mendel Kaplan dazu, die weiteren Grabungen zu finanzieren.

Wieder zurück in den USA arbeitete Shanks zwar weiter als Anwalt, doch daneben gründete er eine vierteljährliche Zeitschrift, die «Biblical Archeology Review», in der er archäologische Ergebnisse und Funde aus Israel allgemeinverständlich darstellte. Viele kritisierten den populärwissenschaftlichen Ansatz, doch der Erfolg gab ihm recht: Heute hat «BAR», wie die Zeitschrift abgekürzt wird, eine Viertelmillion Leserinnen und Leser, und viele Christen weltweit informieren sich darin über historische Zeugnisse aus dem Heiligen Land.

Der Altorientalist Prof. Cline beschrieb Shanks laut «Christianity Today» folgendermassen: «Seine Gabe war das Auge eines Journalisten, er konnte versteckte Goldkörner in der Welt der geheimnisvollen akademischen Gelehrsamkeit aufspüren. … Zuerst versuchte ich, Hershel zu überzeugen, dass kein Amateur die Komplexität der Ausgrabungen in Israel vernünftig darstellen könnte – oh, Mann, lag ich falsch!»

Verschlusssache Qumran

Shanks herausragende Lebensleistung war sicherlich die Veröffentlichung zahlreicher Qumranschriften. Seit 1947 wurden in Höhlen am Toten Meer zahlreiche Schriftrollen gefunden, darunter die ältesten bekannten Bibelhandschriften. Von dem gewaltigen Fund – 15'000 Fragmente von über 850 Schriftrollen – drang jedoch nur wenig an die Öffentlichkeit. Und was veröffentlicht wurde, war in der Regel nur für wissenschaftliche Untersuchungen zugänglich. Für Shanks war dies ein unhaltbarer Zustand: Die Qumranrollen waren die grösste Entdeckung in Israel und für die Bibelforschung von immenser Wichtigkeit, und über vierzig Jahre danach noch weitgehend unbekannt, weil sie vielen verschiedenen Einrichtungen gehörten und jeder Wissenschaftler zunächst seine eigene Detailforschung veröffentlichen wollte.

Shanks ging den Weg der Illegalität. Er überzeugte den US-Studenten Martin Abegg, ihm die Vorabversion seiner rekonstruierten Texte zur Verfügung zu stellen. Auch Robert Eisenman gab ihm Fotos vieler Fragmente. All das veröffentlichte Shanks. Er wurde wegen Urheberrechtsverletzung zur Zahlung einer Strafe verurteilt, doch der Damm war gebrochen. Die Texte waren öffentlich, und die israelische Altertumsbehörde forderte alle Wissenschaftler dazu auf, ihre Texte und Fragmente innerhalb der folgenden zwölf Jahre komplett zu veröffentlichen.

Zwischen Verschwörungsmythen und Aufklärung

Eine Nebenwirkung der unbearbeiteten, unsortierten und späten Veröffentlichung der Qumrantexte war das Entstehen zahlreicher Verschwörungsmythen. Im damaligen Bestseller «Verschlusssache Jesus» behaupteten die Autoren zum Beispiel, dass der Vatikan die Veröffentlichung der Qumranschriften verzögern und manipulieren wolle, da sie Aussagen über Jesus enthielten, die das kirchliche Jesusbild erschüttern würden.

Doch die positiven Auswirkungen überwogen. Der Druck zur Veröffentlichung setzte eine weltweite Arbeit an den Schriftrollen in Gange. Inzwischen sind sie alle für jedermann im Internet einsehbar.

In seiner Autobiografie wehrt sich Shanks gegen den Gedanken, all das selbstlos getan zu haben: «Ich suchte nicht nach einer Idee, von der ich dachte, sie würde die Leser interessieren. Ich ging von dem aus, was mich interessierte. Danach war es meine Aufgabe, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, was mich interessierte. Meine Begeisterung und mein Enthusiasmus haben dabei zweifellos geholfen.» Das Weitergeben seiner Begeisterung ist ihm auf jeden Fall gelungen. Die Welt der biblischen Archäologie wäre ärmer ohne ihn. Hershel Shanks starb am 5. Februar in Washington im Alter von 90 Jahren.
 

Datum: 19.02.2021
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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