Der Seelsorger auf seinem Lebenslauf
Das letzte Spektakel lieferte er über 116 Kilometer, und dies in schlanken 19,5 Stunden.Beruflich bewegte er sich als Elektrozeichner, Hauptmann im Militär, Schweizergardist, Polizist und schlussendlich als Theologe. Und so wirkt er zurzeit in der Römisch-katholischen Kirchgemeinde Ingenbohl-Brunnen. Im Interview erzählte er unter anderem, was Ausdauer-Läufe mit lebendigem Wasser zu tun haben.
Übrigens: Ein normaler Wanderer benötigt für die oben erwähnte Strecke rund 42 Stunden verteilt auf 7 Etappen.
Livenet war im Gespräch mit Stefan Mettler über einen gelingenden Lauf des Lebens und weitere Herausforderungen und Freuden:
Stefan Mettler, wie
erlebten Sie Gott als Kind - und heute?
Stefan
Mettler:
Meine Eltern haben mir von klein auf ein Vertrauen in Gott in die Wiege gelegt
und den Glauben praktisch vorgelebt. Dies nicht einschränkend, sondern im Sinne
einer Begleitung. Gottesdienstbesuche etc. waren mir früh freigestellt und auch
das Ministrieren nur ein Wunsch, aber keine Pflicht oder ein Muss.
Als Kind haben mich die Bilder der Kirchen, die Erzählungen der Bibel und Heiligenviten geprägt. Alle möglichen Gottesbilder von einem strafenden, nur zuschauenden aber nicht eingreifenden Gott oder der Dualismus zwischen Gott und einer bösen Macht habe ich durchlaufen. In den buntesten Farben die Geschichten in den Gedanken so weitergesponnen.
Was war
ausschlaggebend für ihre Berufung in die Kirche?
Eine
Berufung zu einem kirchlichen Beruf habe ich nie direkt verspürt und hatte ich
auch nicht in Aussicht. Ich bin dankbar, dass ich einen beruflichen Background
und einen Werdegang vom Elektrozeichner, über Hauptmann
im Militär, Schweizergardist, Polizisten zum Theologen habe. Dieser hat
mich geprägt, Verständnis für Mitmenschen geschaffen und ermöglicht mir heute,
mich in meiner vielseitigen und abwechslungsreichen Aufgabe in Menschen hineinzuversetzen. Im Nachhinein kann ich jedoch einen roten Faden in meinem
Werdegang ausmachen. Der Mensch stand immer im Zentrum; will heissen: Ihm nahe
zu sein und zu begleiten. Ganz nach dem Slogan der Polizei: Dein Freund und
Helfer. In diesem Sinne als Begleiter sehe und erlebe ich auch Gott. Er, der
mitgeht und uns begleitet auf all unseren unterschiedlichsten Lebenswegen.
Haben Sie
schon an Benefiz-Komponente für Ihre Läufe gedacht? (Lauf für einen guten
Zweck)
Das habe
ich wie wohl die meisten Hobbyläufer bei Sammlungen für Vereine bereits
gemacht. Unter Wohltätigkeit kann man auch meinen letzten Longjog vor einem
Monat über 116 km und gut 7'000 Höhenmeter verstehen. Bei dem Lauf lief ich die «Schwyzer Tal- und Gipfeltour», eine Mehrtageswanderung an einem Stück in
19,5 Stunden und habe so Werbung für den Tourismus im Kanton Schwyz gemacht.
Für
Nicht-Läufer; was ist der besondere Kick an einem solchen Long-Run?
Eine
Herausforderung ist sicher die mentale Vorbereitung und Belastung. Körperlich
stosse ich bei Läufen nicht mehr so schnell an meine Grenzen, ausser ich gehe
sie natürlich in einem sehr zügigen Laufschritt an. Für mich haben Longruns den
besonderen Reiz, physische und psychische Grenzen kennenzulernen und wenn
möglich zu versetzen.
Ich lerne mich unterwegs immer besser kennen, kann meine Gedanken sortieren oder den Geist erheben. Es ist einfach wunderbar zu sehen, zu was der menschliche Körper im Stande ist – welches Wunderwerk Gott mit uns geschaffen hat.
Unser Körper ist nicht nur für die am Schreibtisch sitzenden Tätigkeiten geschaffen. Dabei verkümmert er! Wie die Seele im Gebet und der Verstand Abwechslung, Herausforderungen und Erholung braucht, so müssen wir auch unseren Körper fordern und zu ihm Sorge tragen. Körper, Seele und Geist müssen zusammenspielen, sich ergänzen und ganzheitlicher betrachtet werden. Eine spannende Aufgabe, der sich auch die Theologie widmen sollte!
Gibt es
geistliche Parallelen, wenn Sie auf einer Tour sind?
Laufen ist
für mich Abschalten, Ausgleich und Inspiration für die kopflastige und manchmal
seelisch belastende Arbeit. Predigten entstehen bei mir meistens laufend.
Welche
Visionen, Wünsche haben Sie für Ihren zukünftigen Dienst in der Kirche?
Ich wünsche
mir, dass die Kirche ihre Berufung in der Welt immer mehr verwirklicht. Wir
sollten für die Menschen in ihrer konkreten Lebenssituation da sein und nicht
nur theoretische Antworten bieten können – das heisst für mich «Seelsorge».
Leider ist der Alltag meist mit Administration, Religionsunterricht und
Sitzungen durchgetaktet, dass die eigentliche Seelsorge zu kurz kommt.
Das Leben ist kein kurzer Sprint, sondern ein Ultra-Bergmarathon. Dabei geht es rauf und runter, es gibt Probleme, die uns unvorbereitet treffen, oder wir verlaufen uns unterwegs. Dann wird man nicht einfach aus dem «Lauf des Lebens» beziehungsweise aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, sondern auf einen guten Weg zurückbegleitet und bei Problemen unterstützt.
Ich sehe Kirchenmenschen als Supporter am Streckenrand beim Lebenslauf der Mitmenschen. Wir geben lebendiges Wasser, wenn es sie dürstet. Reichen geistiges Brot, wenn sie hungern oder neue Schuhe, wenn die alten, Abgelaufenen drücken. Alles, damit der Lebensweg zu Gott so gut wie möglich gelingt.
Zur Person:
Wohnort: Brunnen
Familie: Vater
einer Tochter
Beruf,
Ausbildungen: Seelsorger (MTh), Elektrozeichner und Polizist
Alter:
38 Jahre jung
Hobbys:
Ausdauer- & Kraftsport, allgemein «Freude an der Bewegung»
Zum Thema:
Zukunft der Kirche: Gemeinschaft mit göttlichem Funken statt Event-Fabrik
Beeindruckende Leistung: Mark Kiptoo aus Kenia stellt neuen Master-Weltrekord im Marathon auf
Lokführer und Seelsorger: Rail-Pastor Ueli Berger: Gott fährt mit
Datum: 15.08.2020
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet