Schritte in Richtung Heilung

„Ich wurde sexuell missbraucht“

"Sie können kaum ermessen, was in mir los ist", bemerkt Frau C., 35 Jahre alt. "Dass wir überhaupt Kinder haben, ist schon ein Wunder... Mir fällt es schwer, das in Worte zu fassen, was mich seit Jahren lähmt. Ich liebe meinen Mann, aber ich kann mich ihm nicht hingeben. Dabei liegt es gar nicht an ihm."


Bild: PixelQuelle.de

"Eigentlich ist es schon lange her. Als Familie lebten wir in einem Haus und immer wieder holte mich mein Grossvater (bis ich etwa 14 Jahre alt war) zu sich ins Schlafzimmer. Ich schäme mich so! Eigentlich habe ich ihn gern gehabt. Und ich fühle mich gleichzeitig tief verletzt. Immer wieder habe ich Schuldgefühle. Ich suche einen Weg, wie ich weiterkommen kann. Meinem Mann habe ich bisher nur vorsichtig Andeutungen gemacht. Gibt es überhaupt einen Weg für mich?"

Sie nennen es nicht beim Namen, aber Sie wurden als Kind offenbar sexuell missbraucht. Ihre Erinnerung ist mit vielen Scham- und Schuldgefühlen belastet. Doch es gibt einen Weg für Sie. Vielleicht kann meine Antwort für Sie zu einem Anstoss werden, therapeutische seelsorgerliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

1. Sie sind an dem, was passiert ist, nicht schuld.

Vermutlich fragen Sie sich, ob Sie den sexuellen Missbrauch durch Ihren Grossvater hätten verhindern können. Manchmal können Ihnen sogar Gedanken kommen, ob Sie ihn selber zu diesen Taten provoziert und indirekt eingeladen haben. Doch die von Ihnen erlebte sexuelle Ausbeutung ist nicht Ihre Schuld! Sie konnten als Kind die Zusammenhänge nicht überblicken und hatten gar keine Möglichkeit, sich zu wehren und zu schützen.

2. Sie brauchen ein Gegenüber, das Ihnen wertschätzend zuhört.

Menschen in Ihrer Lage erleben oftmals ein grosses Durcheinander der Gefühle. In Ihren Zeilen berichten Sie selber von Schuld- und Schamgefühlen. Dazu können Wut und Trauer, aber auch Gefühle der Minderwertigkeit kommen. Manchmal erleben betroffene Frauen einen tiefen Widerspruch in sich. Einerseits hassen sie den Menschen, der ihnen so viel Leid zugefügt und ihr Vertrauen verraten hat. Andererseits war es für sie auch ein geliebter Mensch. Um in einer solchen "Gefühlssuppe" eine Linie zu erkennen, die unterschiedlichsten Gefühle einmal benennen zu können, brauchen Sie einen kompetenten Zuhörer.

3. Lernen Sie ganz neu, Grenzen und Gefühle zu benennen!

Wer mit einer solchen Last wie Sie aufwachsen musste, hat häufig einen zusätzlichen Mangel zu tragen: Nein sagen, Grenzen setzen, Gefühle eindeutig äussern - diese Fertigkeiten konnten Sie im Vergleich zu anderen Frauen in Ihrer Kindheit nur sehr wenig lernen. Auch die Art, wie Sie über sich und über andere denken, vielleicht auch über Gott, wurde sehr stark von diesen Erfahrungen und dem Gefühl, dem Grossvater ausgeliefert zu sein, geprägt. Hier lohnt es sich für Sie, neu zu lernen und sich neu zu orientieren.

4. Vergebung - ein geistliches Ziel eines Seelsorgeweges.

Von aussen neigen Menschen manchmal zu einer schnellen Lösung: "Vergib deinem Grossvater und du wirst frei!" In der Tat ist Vergebung, der Verzicht auf Wutgedanken, der Wille, loszulassen und dem Täter seine Schuld nicht mehr nachzutragen, ihn Gott zu überlassen, ein in der Bibel aufgezeigter Weg. Doch dies braucht Zeit. Es ist gut, wenn Sie sich für diesen Weg betend Zeit lassen, Geduld mit sich haben und dabei das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Jesus wird Sie begleiten.

Datum: 17.07.2007
Autor: Wilfried Veeser
Quelle: Neues Leben

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