Livenet.ch: 60 Jahre – und noch voll auf Achse, kein bisschen leise… Das ist eine Entwicklung, die ich seit einigen Jahren herausgefunden habe. Es ist ein Privileg junger Leute, dass sie absolut sind und, wenn es Älteren zu laut wird, noch aufdrehen. Bis 25 hat man das Recht, sich so zu verhalten. Aber dann macht man ja weitere Entwicklungsstufen durch. Wenn wir den Jugendwahn betrachten, hat man manchmal den Eindruck, dass alles nur so ablaufen darf und nicht anders. Aber ich halte es mit einem Wort, das ich einmal gehört habe: Ein guter Wein vermag auch noch besser zu werden im Lauf der Jahre. Und ich stelle fest: In fortschreitendem Alter ist noch etwas mehr Liebe zu den Menschen hinzugekommen. Das, glaub ich, ist sehr wichtig. Sie singen deutlich, nachdrücklich, liebevoll, feinsinnig. Freude am Leben, Lust am Leben… Was nehmen Sie in der deutschen christlichen Musikszene wahr mit dem Erfahrungsschatz, den Sie über Jahrzehnte gewonnen haben? Später dann sieht man, aha, in Verbindung mit Musik gibt es keine rosige Perspektive. Man studiert oder tut sich als Handwerker hervor, setzt sich in der Kirchgemeinde oder für den Ort ein… Egal wo wir herkommen – wenn wir einmal berührt sind vom Glauben an den Herrn Jesus Christus, der viel in Bewegung setzt, dann bedeutet das nicht nur, dass ich Musik mache, sondern betrifft ganz viele Gebiete im Leben. Sich einbringen und einen schönen Beitrag leisten zum Wohl des Ganzen – das ist in vielen Bereichen möglich. Sind junge Künstlerinnen und Künstler versucht, zu viel Gewicht auf die Performance zu legen? Gospel ist sehr populär. Was bedeutet das für diese Musikgattung? An dieses Original heranzukommen, an die schwarzen Wurzeln, ist natürlich ungeheuer schwer. Ich hatte die Welle eigentlich viel früher erwartet. Dass Gospel bei uns in Europa in den letzten Jahren eine Mode wurde – ich kann es nur begrüssen. Ist doch toll, wenn die Leute zusammenkommen und im Stil dieser alten Lieder zu singen versuchen, nicht so verkopft, sondern mehr aus dem Bauch heraus. Legen wir uns dabei nicht auf eine bestimmte Richtung fest, behalten wir im Auge, dass es auch die Kantorei gibt, den Gemeindechor, der ebenfalls junge Stimmen braucht. Beschäftigt es auch Siegfried Fietz, dass immer mehr Englisch gesungen wird? Früher sang ich Spirituals. Nach einer gewissen Zeit merkte ich: Mensch, die Leute verstehen ja gar nix! Ich wollte und will auch etwas in Bewegung setzen. Ziseliert in die Tiefe kommen wir nur mit einer Sprache, die die Leute auch verstehen. Ich will nicht sagen, dass man mit Englisch auch sehr tiefe Erfahrungen machen kann. Aber im Grunde, wenn es nicht deine Muttersprache ist, ist das sehr viel schwieriger, bleibt es eher ein bisschen oben. Ich möchte die Leute auch ganz in der Tiefe erreichen, daher singe ich in ihrer Sprache. Dafür habe ich mich entschieden. Und das Publikum schätzt das. Ist das so wichtig: für Gott singen in der Sprache unserer Mütter und Väter? Da sah ich: Selbst wenn wir zusammensassen, der Redakteur, ich und der Techniker, und den Text durchlasen, haben wir ihn manchmal nicht verstanden. Selbst wenn wir den Text vor uns hatten! Michael Card zum Beispiel schreibt so komplizierte Texte, dass man die in gar keinem Fall nur so beim Hören versteht. Wie will man dann in den Inhalt kommen?! Für mich habe ich entschieden: Ich möchte in der Sprache singen und sprechen, die die Leute verstehen. Sollte man das Gesangbuch altprotestantischer Kirchen erneuern, Lobpreislieder und neue Choräle einfügen? Nur: wir bräuchten die Vielfalt und das zeitgemässe Singen überall in unseren Landeskirchen. Vielleicht gibt es deshalb mit dieser Gospel-Mode Auswirkungen, die überziehen. Es ist nicht ganz einfach. Wir müssen darauf achten, dass unsere Gesangbücher die Gemeinden im Blick haben. Da müssen Lieder drin sein, die der Gemeinde gut tun. Lobgesang, Anbetung – und vor allem auch Trost. Lieder, die sie begleiten, das heisst, mit einer Sprache, die den Menschen heute nahekommt. Worte, die mit Melodie ins Herz sinken… Konzerte von Siegfried Fietz in der Schweiz:
Datum: 13.11.2008
Siegfried Fietz: …ich habe natürlich auch viele schöne leise Lieder, aber manchmal muss man sich ein bisschen bemerkbar machen. Mit Nachdruck auftreten. Wenn man etwas fortgeschrittenen Alters ist, möchte man nicht mehr so gern was Trennendes machen, sondern Generationen verbinden. Einen gemeinschaftsfähigen Weg suchen, der junge Leute, Kinder und auch ältere Menschen irgendwie trifft.
Auch, ja. Jede Persönlichkeit ist anders. Zu mir passt eine gewisse Ästhetik. Ich bin ein Freund der edlen Sprache. Ich möchte die Leute nicht anbrüllen und anmachen, sondern sie mit auf den Weg nehmen, mit guten Gedanken und Argumenten. Dabei helfen mir wunderbare Autorinnen und Autoren, die mit mir auf dem Weg sind. Und letztlich geht es immer darum, dass das Lob Gottes im Mittelpunkt ist – und dass Menschen in feiner Weise auf Glauben und die Lust am Leben aufmerksam gemacht werden. Das müssen wir zu wecken versuchen, dass die Leute spüren: Wow, da steckt etwas drin, was mir auch gut tun könnte.
Unbedingt, ja – das ist es ja, was Schöpfung ausmacht, was auch dem Christenmenschen geschenkt ist. Dass er nicht so verkrampft durchs Leben geht, wie es manchmal leider mit schlechten Beispielen noch abläuft. Aber was einen Christenmenschen ausmachen sollte.
Die unterschiedlichsten Stile. Ich freue mich immer dran, dass junge Leute sich auf den Weg machen. Sie möchten etwas beitragen. Und wenn jemand vom Glauben erfüllt ist, möchte er das natürlich auf seine Weise weitergeben. Das finde ich sehr positiv.
Die Auswüchse gibt es. Ich gehe über eine christliche Musikmesse und sehe, dass sie ne Super-Performance machen, um ihre Gruppe vorzustellen. Wenn man sie dann hört, ist es eine ganz andere Sache, nicht Weltklasse, sondern Kreisklasse. Da gilt das alte Wort: Kunst kommt von Können; man muss sich das erarbeiten. Da dran geht kein Weg vorbei.
Gospel ist eine so schöne Form, Glauben mitzuteilen. Ich kenne ja noch die alten Freunde, Edwin Hawkins, der ‚Oh happy day’ um die Welt getragen hat, der hat auf meinen Scheiben mitgemacht. Und viele andere.
Das ist eine Modeerscheinung. Ich mache auch englischsprachige Programme – in den United States. Und ein Treffen von Leuten aus der ganzen Welt geht halt nur englisch.
Neulich habe ich mit einer Missionarin gesprochen, die zwölf Jahre bei den Qetschua-Indianern in Peru gelebt hat. Sie sagte, sie sei so richtig in der Sprache der Indianer zu Hause gewesen, wenn sie in ihr geträumt habe. Man muss also schon relativ gut Englisch sprechen, wenn man bestimmte Texte verstehen will. Ich habe im Hessischen Rundfunk während zehn Jahren eine Sendung moderiert: Lieder zwischen Himmel und Erde. Das ganze Spektrum von Liedern, das es weltweit gab. Auch Schweizer Künstler waren in diesen Sendungen mit dabei.
Zuerst: seien wir froh, dass wir einen alten Schatz von Liedern haben. Ich wage mal eine These: Wenn über Jahre hinweg diese Lieder nicht mit viel Geld subventioniert worden wären, sängen die Leute heute andere Lieder. Was da immer in den Büchern ist, wird natürlich auch gesungen. Manches ist erneuerungsbedürftig. Aber die Kirchenmusiker tun sich damit etwas schwerer. Das hängt auch mit Pfründen zusammen, die manche sich bewahren wollen. Die können sich gar nicht vorstellen, dass es noch was Anderes gibt – die leben darin.
Was trägt letztlich? Das ist die Frage. Es darf nicht dahin kommen, dass wir nur so in der Feierstimmung bleiben. Im säkularen Raum kennen wir die Bierzeltatmosphäre. So was ähnliches gibt es in christlichen Kreisen auch – wenn das nur auf der Happy-Ebene abläuft.
Schöftland AG, reformierte Kirche Donnerstag 13. November, 20 Uhr
Siebnen SZ, reformierte Kirche Freitag 14. November, 20 Uhr
Bäretswil ZH, reformierte Kirche Samstag 15. November, 20 Uhr
Eintritt frei – Kollekte
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch
Auch in diesem Herbst kommt der Altmeister des feinsinnigen, frohen Liedes wieder in die Schweiz. Dieses Wochenende tritt er in Schöftland, Siebnen und Bäretswil auf. Livenet.ch hat sich mit Siegfried Fietz unterhalten.