Betreuung von Familien in Leid und Schmerz
Viele Familien mit chronisch kranken Kindern durchleben Jahre an den Grenzen ihrer Kräfte und wenn ein Kind sogar stirbt, ist das Leid unbeschreiblich. Menschen, die mit ihrer Präsenz einen kleinen Trost spenden, sind wichtig. Stephanie Schleith (*1972) aus Seewen (SO) hatte schon als Kind ein auffälliges Anliegen für Leidende und ist heute Einsatzleiterin in einer Kinderspitex.
Kein geradliniger Werdegang
Als gelernte Krankenschwester arbeitete Stephanie jahrelang im Akutbereich, Kinderpsychiatrie und Notfall. Mit 31 Jahren orientierte sie sich neu, nahm ein Theologiestudium in Angriff, arbeitete die folgenden sechs Jahre in der Gemeindearbeit und investierte sich stark in Beratung und Seelsorge. «Es war dann mein Ziel, für eine begrenzte Zeit in meinen alten Beruf zurückzugehen, um für weitere Lebensschritte Geld zu verdienen.»
Es sollte anders kommen. Als ihr eine leitende Stellung in einer Kinderspitex angeboten wurde, nahm sie an. «Als ich den Entscheid traf, war klar, dass ich auch hier Menschen begleiten wollte.» In ihrer Tätigkeit sah sie viele leidende und sterbende Kinder und stand deren Eltern zur Seite.
Die Arbeit mit dem Leid von Menschen
Wieder war Stephanie dabei, Menschen in Schwierigkeiten zu begleiten. Verglichen mit ihrer Tätigkeit in der Gemeinde war es nun aber intensiver. «Täglich wurden leidvolle Situationen an mich herangetragen.» Die meisten Patienten sind viele Jahre krank, was für die Eltern mit grossem Leid verbunden ist. «In meinem Beruf gehört es dazu, mit Menschen durch schwierige Situationen zu gehen. Das ist nicht schön und für viele Situationen habe ich weder Antworten noch wirklichen Trost.»
Ins Leben der Menschen eintauchen
«Im Spital begegnete ich Menschen in Schwierigkeiten, durch die Kinderspitex komme ich mit deren ganzem Leben in Berührung. Ich tauche richtig ins Leben der Menschen ein.» Das Thema um Nähe und Distanz ist jetzt viel bedeutender als im Spital.
Eltern mit schwerkranken Kindern sind oft stark von deren Pflege absorbiert. «Manchmal haben sie kaum Kraft für Aussenkontakte und unsere Pflegefachfrauen sind die einzigen Kontakte, die eine Familie noch hat.»
Eine Theologin bei der Kinderspitex
Für Stephanie ist klar: «Ohne zu wissen, dass Gott bei mir ist und mir hilft, könnte ich diese Arbeit nicht tun. Immer wieder brauche ich neu die innere Kraft, um mich trotz des Leids am Leben erfreuen zu können.» Wann immer Stephanie in ihrem Leben Menschen begleitete, war sie sich der Abhängigkeit von Gott bewusst. Das war im kirchlichen Kontext genauso der Fall, wie in ihrer aktuellen Arbeit oder sonst irgendwo.
«Wir betreuen Familien mit verschiedenem religiösen Hintergrund.» Als Führungskraft in der Kinderspitex ist es nicht Stephanies Aufgabe, jemanden von ihrem Glauben zu überzeugen. «In Grenzsituationen stellt sich aber oft die Frage, wo Menschen ihre Kraft hernehmen. Und wenn ein Kind beerdigt werden muss, ist Religion oft ein Thema.» Aufgrund ihres absolvierten Theologiestudiums ist klar, welchem Glauben sie angehört. Das hilft, da Menschen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, über ihren Standpunkt im Klaren sind.
Die Kraft, um schlimme Zeiten durchzustehen
Stephanie glaubt an Gottes Eingreifen, hat selbst auch schon etliche Wunder erlebt – teilweise sogar dramatische Heilungswunder. Trotzdem ist das Begleiten von leidenden Menschen das, was ihren Alltag bestimmt.
Es kommt vor, dass Menschen, die über den Verlust eines Kindes trauern, Fragen zu Stephanies Glauben stellen. «Es ist wichtig, erst einmal an ihrer Seite zu stehen und ihnen die Perspektive eines Lebens nach dem Leiden zu geben. Billige, christliche Phrasen scheinen mir da nicht angemessen.» Sie hat aber erlebt, welcher Trost darin liegt, eine Ewigkeitsperspektive einzunehmen. Gerne erzählt sie Betroffenen von ihrem eigenen Erleben in Zeiten von Verlust und Trauer. Eine eigene Nahtoderfahrung und ihr Glaube an das, was nach dem Tod kommt, sind ebenfalls prägende Elemente ihres Lebens.
Gott ist bei den Leidenden
Eine gläubige Mutter sagte einmal in Bezug auf ihr verstorbenes Kind: «Das ist mein einziges Kind, um welches ich mich nicht mehr sorgen muss. Es ist jetzt bei Jesus geborgen.» Eine Aussage, die bei Stephanie hängengeblieben ist – gerade wegen der Hoffnung, die in den Worten lag.
Menschen in schwierigen Situationen zur Seite zu stehen und so Leid mitzutragen, liegt nicht im Trend – weder in der Gesellschaft, noch in der christlichen Gemeinde. Doch Gott beruft Christen, seine Liebe zu Menschen zu tragen – zu Menschen, die aufgrund ihrer schwierigen Umstände keine Hoffnung mehr haben und die Sonne des Lebens nicht mehr sehen können.
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Datum: 05.08.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet