Die Zauberer und Beamten des Pharao

Magisch, gottesfürchtig und ein bisschen dumm

Ägyptische Zeichnungen
Es gibt Personen in der Bibel, die eher unbekannt sind. Dazu gehören die Zauberer und Beamten des Pharaos, die sich mit Mose und Aaron ein Showdown lieferten. Sie sahen Gottes Allmacht direkt in die Augen - doch niemand ergriff die Chance.

Manchmal sind wir nur einen Flügelschlag vom Glück entfernt. Und dann fliegt es weiter. Die Ärztin, die kurz davor ist, die richtige Diagnose zu stellen – aber dann eine andere Spur verfolgt. Der Mann, dem das Wort der Entschuldigung im Ehestreit schon auf der Zunge liegt, es aber nicht herausbringt. Die Freundin, die schon oft mit in der Kirche war, alles interessant fand und das Evangelium auch hören konnte – und doch den Schritt in die Christusnachfolge nicht geht.

Das ist manchmal tragisch. Und in der Bibel gibt es Menschen, bei denen es zusätzlich auch noch unfreiwillig komisch ist und ein bisschen dumm. Dafür stehen die ägyptischen Magier und die Minister, die für den Pharao arbeiteten.

Macht und Kampfansage

Zauberer am ägyptischen Königshof – das war ein mit Macht getränkter Job. Allein schon im Gefolge des Pharao zu arbeiten: Dieser allerhöchste Regent war nicht nur politisch mit grösster Machtfülle ausgestattet. Auch religiös war er kaum zu überbieten. Er stand direkt unter den Gottheiten und vermittelte die Herrschaft des Hauptgottes an die Menschen. Für die Zauberer kam nun noch eine weitere Ebene der Macht hinzu: die Magie. Damit konnten sie Einfluss auf Menschen und den Lauf der Dinge nehmen. Religiös eingebettet war sowieso alles in Ägypten. Gottesfurcht war die Voraussetzung, oder vielleicht besser: die Atmosphäre, in der die Zauberer lebten, und nicht nur sie.

Und dann kam eines Tages ein stotternder Hebräer mit seinem Bruder vor den Pharao und verlangte Freiheit für seine Landsleute. Was für eine Frechheit! Dieser Mose stellte nicht nur Ansprüche, sondern forderte die Zauberer auf ihrem ureigensten Gebiet heraus. Aarons Stab wurde zur Schlange, als er ihn auf den Boden warf. Magie in Reinform. Und eine Kampfansage. Doch der Pharao konnte auf seine Zauberer zählen. Was der Hebräer vermochte, konnten sie schon lange. Auch ihre Stäbe wurden zu Schlangen. Dass Aarons Stab die ägyptischen dann auffrass, war allerdings das erste Donnergrollen und verhiess nichts Gutes für die Magier.

Das Drama nahm seinen Lauf. Mose und Aaron drohten dem Pharao Plagen an, eine nach der anderen, bis er endlich einlenkte. Doch es brauchte zehn Anläufe, um den Willen des Pharao zu brechen (2. Mose Kapitel 7 bis 12). Bis dahin wehrte er Moses Forderungen ab, neunmal. Die Hebräer meinten, ihr Gott wäre mächtig und auf ihrer Seite? Das konnte man schnell widerlegen. Und das war die Aufgabe der Zauberer. Sie taten dieselben Wunder wie Mose und Aaron und zogen im Machtkampf gleich. Beweis erbracht.

Es bröckelt

Zumindest anfangs. Schnell bröckelte ihre Macht. Der biblische Bericht zeigt dies, er ist literarisch klar gestaltet, wenn man die Rolle der Magier unter die Lupe nimmt.

  • Bei den ersten beiden Plagen konnten die Zauberer dasselbe bewirken wie Aaron.
  • Bei der dritten Plage versagten sie. Und kamen zu einer bemerkenswerten Einschätzung: «Das ist Gottes Finger!» (2. Mose Kapitel 8, Vers 15). Da war er, der Flügelschlag von Gottes Reich, ganz nah! Doch der Pharao blieb hart.
  • Bei den Wundern der vierten und fünften Plage taten sich die Magier gar nicht mehr hervor, vielleicht standen sie noch dabei, vollbrachten aber nichts.
  • Bei der sechsten Plage begegnen wir ihnen noch einmal. Alle Menschen und alles Vieh waren von Geschwüren befallen, und ausdrücklich heisst es: Auch die Zauberer waren betroffen, sie konnten wegen der Geschwüre nicht vor Mose treten (offenbar hatten sie sich zuvor wenigstens hingestellt, wenn auch tatenlos). Sie waren ausgeschaltet.
  • In den folgenden Wundern spielten sie nun gar keine Rolle mehr.

So sieht es aus, wenn Macht zerfällt. Schritt für Schritt wurden die gottesfürchtigen Zauberer demontiert.

Wie dumm ist das denn?

Diese «Demontage» hat noch eine weitere Ebene. Sie wird gleich zu Beginn sichtbar, bei den ersten beiden Plagen. Hier verfügen die Magier noch voll über ihre Macht. Aber zugleich ist es ein bisschen dumm, wie sie agieren. Aarons Stab verwandelte das Wasser des Nils in Blut, es wurde im ganzen Land ungeniessbar. Und die Zauberer? Machten dasselbe. Vergrösserten also die Katastrophe!

Ebenso beim zweiten Wunder. Aaron löste eine landesweite Froschplage aus. Das war nicht nur glitschig, es hatte vermutlich auch eine religiöse Dimension. Die Göttin Heket hatte Froschgestalt oder zumindest einen Froschkopf. Sie war für Fruchtbarkeit zuständig – doch offenbar hatte sie völlig die Kontrolle darüber verloren, das mit den Fröschen lief total aus dem Ruder. Die religiösen Mechanismen funktionierten nicht mehr.

Was konnten die Zauberer dem entgegensetzen? Ihnen fiel nichts anderes ein als eine Machtdemonstration: Seht her, das können wir auch! Und wieder wurde die Katastrophe verdoppelt. Mal ehrlich, wie dumm ist das denn?

Wenn die Bibel ironisch wird

Es ist, als spiele der biblische Bericht hier mit dem Stilmittel der Ironie. Die besten Köpfe Ägyptens sind ein bisschen dumm, sie schiessen sich selbst ins Knie. Das Stilmittel der Ironie finden wir an vielen Stellen in der Bibel. Und immer wieder dient es dazu, die Mächtigen lächerlich zu machen:

  • Die Menschen wollen einen Turm bauen, der bis an den Himmel reicht: Aber Gott muss erst einmal «herabfahren», um sich das anzusehen – besonders hoch war der Turm anscheinend nicht geraten (1. Mose Kapitel 11, Verse 1-5).
  • Der Prophet Elia steht den Hunderten von Baals­priestern gegenüber, die ihren Gott beschwören, damit er etwas tut. Und als nichts passiert, spottet Elia: Was ist denn mit eurem Baal? Ist er gerade mit seinen Gedanken woanders? Ist er vielleicht verreist? Ach, ich weiss, er musste bestimmt mal und ist austreten gegangen! Oder er ist gerade eingeschlafen (1. Könige Kapitel 18, Vers 27)!
  • Abimelech will König werden und bringt alle Konkurrenten um. Nur sein jüngster Bruder kommt mit dem Leben davon – und ruft von einem Berggipfel ein satirisches Gleichnis aus, das sagt: Die miesesten und ungeeignetsten Leute sind es, die König werden wollen (Richter Kapitel 9, Verse 1-21). Er sagt das so beissend ironisch, dass sein Bruder lächerlich da steht.
  • Doch nicht nur die Gottlosen werden ironisch blossgestellt. Auch Dienern Gottes kann das passieren – zu sehen an Mose selbst. Als Gott ihn beruft, versucht er sich herauszureden. Zu guter Letzt meint er, er könne nicht gut reden und habe eine «schwere Zunge». Aber die ganze Zeit hat er sehr beredt und wortreich ein Argument nach dem anderen vorgebracht (2. Mose Kapitel 3, Vers 11 – Kapitel 4, Vers 13). Das ist schon irgendwie witzig.

In ähnlicher Weise stellt der biblische Bericht die Zauberer bloss. Noch bevor ihre Macht zu bröckeln beginnt, stehen sie – bei näherem Hinsehen – recht dumm da.

Der Glaube der Hofbeamten

Neben den Zauberern wird noch eine zweite Gruppe aus dem Gefolge des Pharao erwähnt: die Hofbeamten. Sie kommen bei der vierten Plage ins Spiel, als Mose Stechfliegen ankündigt. Dem Erzähler ist es offenbar wichtig zu erwähnen, dass auch die Hofbeamten diese wilden Insekten in ihren Häusern hatten. Vielleicht will er damit vorbereiten, was dann bei der siebten Plage passiert.

Diese Plage bestand in schwerem Hagelschlag, und sie wurde ausdrücklich auch für die Hofbeamten angekündigt. Mose erklärt eingehend, was kommen würde, und gibt den guten Rat, dass man doch sein Vieh und alle Feldarbeiter ins Haus bringen sollte, damit sie nicht erschlagen werden. Tatsächlich befolgten einige der Beamte diesen Tipp: «Einige der Minister des Pharao schenkten der Ankündigung des Herrn Glauben. Sofort liessen sie ihre Sklaven und ihr Vieh unter einem Dach Schutz suchen. Jene aber, die der Ankündigung des Herrn nicht glaubten, liessen ihre Sklaven und ihr Vieh im Freien» (2. Mose Kapitel 9, Verse 20-21).

Eine bemerkenswerte Weggabelung! Eine Reihe von Beamten war nicht nur gottesfürchtig im ägyptisch-religiösen Sinne, sondern nahm den Gott der Hebräer ernst. Ganz ähnlich, wie die Zauberer bei der dritten Plage Gottes Finger erkannten. Und das Ergebnis gab ihnen Recht, sie gehörten zu den wenigen, die ihr Vieh erhalten konnten.

Doch diese Glaubenslinie hatte kaum Bestand. Als die Plage auf Moses Gebet hin endete, sündigte der Pharao weiter und verstockte sein Herz – «er und seine Hofbeamten» (2. Mose Kapitel 9, Vers 34).

Immunisierung

Was hier passiert, hat eine grosse Tragweite. Immer wieder können wir beobachten, dass Menschen einen guten Start nahmen, offen für Gott waren, später aber dann nicht mehr aus ihren bisherigen Geleisen herauskamen. Die ägyptischen Minister sind fast ein Modellfall dafür. Der biblische Erzähler vermerkt, dass diese Beamten vielfach aufgeschlossen Mose gegenüber waren: «Mose war bei den Ministern des Pharao und beim ägyptischen Volk sogar hoch geachtet» (2. Mose Kapitel 11, Vers 3). Und doch sind auch sie komplett von der abschliessenden und besonders schrecklichen zehnten Plage betroffen, als alle Erstgeborenen umkamen. Wieder werden sie ausdrücklich erwähnt (2. Mose Kapitel 12, Vers 30).

Man könnte das als «Immunisierung» bezeichnen. Je öfter jemand mit Gottes Kraft in Kontakt kommt, den «Flügelschlag» von Gottes Reich spürt, sich dann letztlich aber doch verschliesst, desto schwerer wird er dann für Gott erreichbar sein. Das ist kein in Stein gemeisseltes Gesetz, aber eine Erfahrung. Der Pharao selbst mit seinem zunehmend verstockten Herz steht dafür. Auch Jesus hat die Sache eindringlich aufgezeigt, als er bestimmten Städten Galiläas mit einem «Weheruf» Unglück ankündigte (Matthäus Kapitel 11, Verse 20-24): Hier hatte er die meisten Wunder getan und doch waren gerade diese Leute nicht bereit umzukehren. Das hat – so sagt Jesus es – harte Konsequenzen bis ans Ende der Zeiten. Sie wollten sich nicht auf Gottes Reich festlegen, haben dadurch Position gegen Gott bezogen – und sind dann irgendwann festgelegt auf ihre Haltung. Auch so sieht es aus, wenn Gott Gericht hält.

Nicht ohne Hoffnung

Gottesfürchtig waren sie also, die ägyptischen Magier und Minister, aber auch merkwürdig kurzsichtig und erschütternd verhärtet. Haben wir damit lauter Negativbeispiele vor uns?

Der biblische Bericht lässt einen Hoffnungsschimmer aufstrahlen. Als die Hebräer aus Ägypten auszogen, da zog auch «viel Mischvolk» mit ihnen hinauf (2. Mose Kapitel 12, Vers 38). Es gab also Ansässige, die zusammen mit Gottes Volk entkommen konnten. Was waren das für Leute? Möglicherweise nichtisraelitische Sklaven und Gefangene, die ebenso wie Israel unter dem Zwang der Ägypter gelitten hatten. Andere Ausleger verweisen aber auf die Hagel-Plage und die Beamten, die Gottes Wort geglaubt und ihr Vieh und ihre Feldarbeiter untergestellt hatten. Demnach wäre der Glaube bei einigen von ihnen doch nicht versandet und sie hätten die Gelegenheit ergriffen, sich Gottes Volk anzuschliessen.

Und das wäre ja typisch für Gottes Handeln: Wenn Menschen sich retten lassen möchten, dann will Gott sie schon lange retten.

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Datum: 23.03.2025
Autor: Ulrich Wendel
Quelle: Magazin Faszination Bibel 01/2025, SCM Bundes-Verlag

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