Wechselspiel

Wenn der Rasen beim Nachbarn scheinbar grüner ist…

Frau ist dankbar für das, was sie hat
Manchmal gibt es Zeiten, die sich geradezu für einen (beruflichen) Neuanfang eignen. Und manchmal ist es auch einfach Zeit, dankbar für das zu sein, was man schon hat.

Endlich ist es so weit: Wir durchschneiden das rote Band, das Gebäude ist fertig und kann bezogen werden. Bis hierhin war es ein nervenaufreibender Weg. Die Erleichterung bricht sich langsam Bahn, die in den letzten zwei bis drei Tagen der grossen Anspannung gewichen ist, als abzusehen war: Das klappt mit der Eröffnung am angekündigten Termin. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Beruflich noch einmal neu durchstarten

Begonnen haben wir 2014 mit der Planung dieses 30-Millionen-Projektes. Die grösste Baumassnahme in der Geschichte des Unternehmens. 2018 starten die ersten vorbereitenden Massnahmen und schliesslich geht es 2019 richtig los. Mitten in der Umsetzung: eine Pandemie und ein Containerschiff, das sich im Suezkanal querstellt, auf dem sich laut Aussage der Lieferanten alle noch ausstehenden Materialien befinden, weshalb Preise steigen und Liefertermine ins Unendliche verschoben werden. Die Kreativität der Auftragnehmer ist beispiellos, um Mehrkosten zu begründen. Darüber hinaus können es sich Firmen leisten, einfach Aufträge nicht anzutreten und damit den Baufortschritt um Wochen zu verzögern. Starkregen-Ereignisse setzen das halbe Erdgeschoss unter Wasser und die Versicherung sträubt sich zu zahlen. Fachingenieure haben die Stirn, mitten in der Umsetzung den Vertrag zu kündigen … Doch das alles liegt hinter uns – hinter mir. Als Projektleiter und «nebenbei» Technischer Leiter bin ich nun sehr froh, mit einer gelungenen Eröffnungsfeier den Nutzern das Gebäude übergeben zu können.

Ja – und nun? Wäre das nicht wirklich der richtige Zeitpunkt, sich beruflich noch einmal neu zu orientieren? Ein Freund von mir hatte einmal gemeint, dass er in einem Alter sei, in dem man beruflich endlich das machen sollte, was einem wirklich Spass macht. Und nun bin ich selbst in diesem Alter und darüber nachgedacht hatte ich sowieso schon länger.

Vor meinem geistigen Auge zeichnen sich nebulös und natürlich sehr positiv eingefärbt einige Möglichkeiten ab, bei denen ich mir einbilde, das könnte ich sicherlich noch einmal machen. Da ist das Thema meiner Masterarbeit, die ich 2015 geschrieben habe und wo mir nach der Verteidigung beide prüfenden Professoren geraten haben, das unbedingt zu verwirklichen. Oder meine Leidenschaft für den ökologischen Holzhausbau, den ich am Anfang meines Berufslebens in einer kleinen Firma damals leider 30 Jahre zu früh mitentwickeln und umsetzen durfte. Oder, oder, oder.

In all diesen Überlegungen ist für mich als Christ klar, dass Gott einen Plan für mich hat. Aber mir mangelt es oft an Geduld, deshalb kann ich schlecht warten, bis mir etwas vor die Füsse fällt, vor allem, wenn mich eine Idee gepackt hat. Also «Ingrid» – oder wie die Jobbörsen alle heissen – bemüht, und wer sagt's denn: Es gibt Jobangebote in Hülle und Fülle. Und das Bewerben geht heute schnell: Lebenslauf aktualisieren, Bewerbungsschreiben an die offene Stelle anpassen, die Zeugnisse sind sowieso schon in Kopie vorhanden und – absenden.

Ein traumhaftes Angebot

Zwei Einladungen zum Bewerbungsgespräch im ökologischen Holzhausbau lassen mich zuversichtlich werden. Beide Gespräche sind sehr verheissungsvoll. Ich male mir viel Spielraum für meine berufliche Entwicklung in den jeweiligen Firmen aus und spiele bereits einen Wechsel einschliesslich des Wohnortes gedanklich durch. Am meisten fesselt mich der Gedanke, endlich meine damals erworbenen Fähigkeiten im Bereich des ökologischen Holzhausbaus anzuwenden und die vielen Vorteile dieser Art zu bauen wieder selbst zu praktizieren. Gepaart mit den nun reichlich erworbenen Erfahrungen der Projektabwicklung sind das sicherlich gute Argumente, die mir bei einer neuen Aufgabe sehr hilfreich sein würden. Und ein mir persönlich ganz wichtiger Aspekt: Ich kann mit dieser Bauweise nachhaltig etwas für unser Klima tun.

Bei all diesen Überlegungen spielen natürlich meine familiären Verhältnisse eine wichtige Rolle. Da ist meine Frau, die einen Beruf hat, bei dem sie vermutlich in jedem Winkel Deutschlands ohne Probleme eine neue Arbeitsstelle bekommen könnte. Die Kinder sind sowieso auf dem Absprung aus dem Haus, das Timing könnte also schlechter sein. Aber wo werden wir dann wohnen bzw. gibt es uns dann überhaupt noch zu fünft? Kann ich, können wir wirklich noch einmal neu anfangen? Das hatten wir ja bereits vor nunmehr 21 Jahren schon mal, aus beruflichen Gründen ein Umzug 300 Kilometer weit weg von allen Verwandten und Bekannten. Ist das noch einmal so machbar?

Um Klarheit zu erlangen, habe ich die Idee, eine Woche bei der einen Firma auf Probe zu arbeiten. Gesagt, getan. Eine Woche Urlaub genommen, Hotel gebucht und Arbeitsschuhe und Bauhelm eingepackt. Ein sehr authentischer junger Chef und ein grossartiges Team nehmen mich wohlwollend auf und ich kann etwas von meinen Fähigkeiten aufblitzen lassen. Unerwarteterweise auch meine Kenntnisse in der Anwendung verschiedener Software-Programme. Das tat gut.

Mit einer tiefen Zufriedenheit und einem konkreten Angebot für diese Arbeitsstelle fahre ich nach Hause. Im Auto ist Zeit zum Nachdenken. Alles Für und Wider schwirrt in meinem Kopf herum und ich versuche es gegeneinander abzuwägen. Zu Hause angekommen erzähle ich meiner Frau begeistert von dem Erlebten. «Gutes Rad ist teuer» oder wie heisst das Sprichwort? Meine tolle Frau hat viel Verständnis für meine Suche und wäre bereit, (fast) alles mitzutragen. Deshalb bin ich glücklich, einen Gott zu haben, der in mein Leben spricht. Das glaube ich. Also ist jetzt Hinhören angesagt. Nicht gerade meine Kernkompetenz. Aber ich will mich nach dem richten, was Gott von mir will. Ich ringe um Erkenntnis und lasse jetzt, wo es ernst wird, auch die durchaus realistischen Risiken in meinem Denken zu. Spreche mit meinen engsten Freunden und bete um Erkenntnis.

Dankbar bleiben in dem, was ich habe

So langsam wird aus dem ganzen Für und Wider eine klare Vorstellung. Ich bin froh, dass sich ein innerer Friede über meine sich abzeichnende Entscheidung breitmacht. All die interessanten Vorstellungen und durchaus realistischen Möglichkeiten wiegen nicht das auf, was ich bereits habe. Ich werde da bleiben, wo ich bin. Ich bin mir sicher, am richtigen Platz zu sein.

Wenn du bis hierher gelesen hast, dann stellst du dir vielleicht die Frage, warum ich das überhaupt erzähle. Mir fehlt auch irgendwie das spektakuläre Ende. Aber immer, wenn ich diese Geschichte dem einen oder anderen erzählte, hatte ich das Gefühl, dass das nicht nur mein Thema ist und war. Deshalb möchte ich zumindest das Eine: Mut machen, zu hinterfragen, ob man noch an der richtigen Stelle ist und sich gegebenenfalls auf den Weg zu machen, um herauszufinden, ob eine Veränderung dran ist. Nicht aus Bequemlichkeit in dem zu verharren, was man kennt und was eine scheinbare Sicherheit vermittelt. Verpasste Chancen gibt es genug. Oder aber auch mit neuer Dankbarkeit auf das zu blicken, was man gerade hat, und vielleicht mit neuer Motivation und neuen Ideen durchzustarten. Vor allem aber mit Gott im Gespräch zu bleiben und zu wissen: Da, wo ich bin, bin ich richtig.

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Zum Thema:
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Datum: 24.03.2025
Autor: Tobias Fiedelak
Quelle: Magazin MOVO 01/2025, SCM Bundes-Verlag

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