Krieg, Hoffnungslosigkeit und Lichtblicke
Im letzten Jahr war vieles in Bewegung. Familie Oppliger wechselte ihren Wohnsitz von Israel in die Schweiz. Der Schritt sei für das Team in Israel schwierig gewesen, brachte aber auch viel Positives mit sich. Tabea und Matthias sprechen im Livenet-Talk darüber.
Wenn Distanz eine Hilfe ist
«Es ist viel passiert!» fasst Matthias zusammen und Tabea erzählt, wie sie sich bemühen, das Team in Israel zu stärken. Diese Leute befinden sich permanent unter Druck – Krieg, Hilfslieferungen, Geiselfreilassungen, Demonstrationen und politische Instabilität. «Es herrscht buchstäblich ein Chaos.» Sie selbst leide manchmal unter dem Gefühl, ihre Leute verlassen zu haben. Deshalb sei es wichtig, die Situation immer wieder im Grossen und Ganzen anzuschauen. Teammitglieder drücken aus, dass Oppligers aus Distanz mehr bewirken können, als wenn sie ebenfalls inmitten der Hoffnungslosigkeit leben würden. «Von der Schweiz aus hast du einen klareren Kopf», sagt Matthias. Das sei hilfreich, um die vielen Informationen und Anliegen zu ordnen und Fundraising zu betreiben.
Neue Städte, neue Länder
«In der Zeit vom Oktober 2023 bis heute ist unsere Arbeit extrem gewachsen», hält Matthias trotz aller Schwierigkeiten fest und spricht dabei besonders die Ausbildungsangebote und die Jobintegration an. Die Arbeit wurde in Tel Aviv gestartet, worauf sie sich bis zum Oktober 2023 beschränkte. «Seither hat sich die Arbeit auf fünf neue Regionen und Städte erweitert – bis nach Haifa im Norden und Be’er Sheva im Süden.»
Die Expansion beschränkt sich jedoch nicht nur auf Städte in Israel. Zum Zeitpunkt, als der Krieg in Israel ausgebrochen ist, befanden sich Oppligers gerade in Kapstadt, wo sie dann zwei Monate festsassen. Tabea erzählt, dass sie dort taten, was ihrem Naturelle als Pioniere entspricht: Sie visionierten. «Unser Arbeitsmodell in andere Länder zu expandieren, haben wir schon lange auf dem Radar», sagt sie. «Menschhandel und Leute, die integriert werden müssen, gibt es ja überall.»
Ihr Modell, welches Soziales und Business verbindet, kann schon herausfordern. Zudem haben sie sich mit ihrer Fabrik in Tel Aviv finanziell an ihre Grenzen manövriert. In Kapstadt zeigten sich Lösungen und als sich der Krieg in Israel in die Länge zog und die Geschäfte in Tel Aviv am Boden lagen, mussten sie ihren Leuten mit schwerem Herzen sagen: «Wir können die Factory in Tel Aviv nicht mehr stemmen.» Tabea ist dankbar, dass sie in Kapstadt bereits einen Partner gefunden hatten und die Herstellung ihrer Produkte dort weitergeführt werden konnte. Während die Produktion in Südafrika weiterläuft, werden die Frauen von einem Team in Tel Aviv betreut. Zudem bezog Glowbalact ein Büro in Bern.
Schwierige Stimmung in Tel Aviv
Nach ihrer Zeit in Kapstadt reisten Oppligers für eine kurze Zeit nach Israel, wo sie ihre Habseligkeiten packen und das Land verlassen mussten. «In dieser kurzen Zeit traf ich in unserem Café die Eltern eines Geiselopfers.» Tabea hatte keine angemessenen Worte, konnte die Mutter einfach nur umarmen. «Ich traf sie noch ein paar Mal und sie sagte, dass sie nachts nicht mehr schlafen kann.» Viele Leute haben ihre Liebsten seit anderthalb Jahren nicht mehr gesehen – das ist schrecklich! Zum Zeitpunkt, als der Sohn dieser Frau freigelassen worden war, befand sich Tabea gerade für einen Besuch in Israel. Die Erleichterung über die Freigelassenen prägte die Stimmung in der Stadt; aber auch die omnipräsente Angst. Stets seien die Menschen auf der Hut und Nachrichten von Bomben hört man überall. Das Team vor Ort begegnet traumatisierten Menschen und lebt in der ständigen Spannung. Aber: «Unsere Arbeit hört nicht auf!»
Unverständnis für ein Engagement in Israel
«Ich verfolge die News jeden Tag», berichtet Matthias über sein Verbundensein mit Israel. Täglich nimmt er sich 20 Minuten Zeit, um sich zu informieren. Beim Ansehen der schrecklichen Bildaufnahmen wird ihm manchmal schlecht. Er hat das Gefühl, dass viele Menschen aufgrund all der schrecklichen und auch komplizierten Informationen müde werden und manchmal sei es sogar gut, sich etwas auszuklinken. Doch die Situation bleibe dieselbe. «Es ist ein sehr komplexes Thema», stimmt Tabea zu. «Und sogar das Volk ist sehr zerstritten.» Im Land gibt es Aufstände und Demonstrationen. Wie soll man sich in dieser Situation verhalten?
Viele Israelis hätten das Gefühl, dass die ganze Welt gegen sie sei. Sie fühlen sich unverstanden und allein. Tabea erzählt, wie ihr Sohn in der Schweiz Kontakt mit verletzten Israelis suchte, welche dies sehr schätzen. Oppligers erzählen, dass auch ihr Engagement in Israel und ihre Verbundenheit mit dem Volk von vielen Schweizern nicht verstanden wird.
Lichtblicke
Es gibt aber auch Lichtblicke. Tabea erzählt von einem verschleppten Israeli, der irgendwie zu Traubensaft gekommen ist. Jeden Freitagabend feierte er damit den Beginn des Sabbats. Wie durch ein Wunder sei der Traubensaft dabei nie ausgegangen – während ganzen anderthalb Jahren in Gefangenschaft!
Ein anderer jüdischer Gefangener sei bedroht worden, um zum Islam zu konvertieren. Als er sich weigerte wurde ihm für vier Tage jegliche Nahrung entzogen. Doch er und viele andere bezeugen, in dieser Zeit Gott erlebt zu haben wie niemals zuvor.
Im Talk geht es auch um den Muskathlon, die Schwierigkeit, Spendengelder aufzutreiben und die Kraft, welche die Begegnung mit der Not dieser Welt hat, um Menschen zum Handeln zu bewegen.
Sehen Sie sich hier den Talk an:
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Datum: 25.03.2025
Autor:
Markus Richner-Mai
Quelle:
Livenet